Tracy Wolff – Crave

Ihr Lieben, heute gibt es eine Re­zen­sion zu einem Buch, das erst vor weni­gen Wo­chen er­schie­nen ist. So früh bin ich in der Re­gel ja nicht allzu oft, aber bei Crave darf das gern anders sein, denn ich mochte es sehr gern und habe Rede­be­darf! Ich glaub, ich kriege es nicht hin, über Crave zu spre­chen, ohne zu spoilern, daher fasst dies bitte als kleine Spoi­ler­war­nung auf. Und nun viel Spaß beim Le­sen des Beitrags.

Worum geht’s in Crave?

Nach dem Unfall­tod ihrer Eltern ver­schlägt es Grace buch­stäb­lich ins kalte Exil: die Wild­nis von Alas­ka, wo ihr Onkel ein Inter­nat leitet, in dem es nicht mit rechten Din­gen zugeht. Und die Schü­ler sind nicht weniger myste­riös, allen voran Jaxon Vega, zu dem Grace sich auf un­er­klär­liche Weise hin­gezo­gen fühlt – trotz aller War­nungen, dass sie in seiner Nähe nicht sicher ist. Doch Jaxon hat seinen Ruf nicht um­sonst: Je näher sie und der un­wider­steh­liche Bad Boy einan­der kommen, desto grö­ßer wird die Ge­fahr für Grace. Offen­sicht­lich hat je­mand es auf sie ab­gesehen …

Was soll das? Jetzt mal im Ernst. Wann habe ich mich bitte in die Protagonistin eines dämlichen Young-Adult-Romans verwandelt? In das Klischee des Mädchens, das neu an eine Schule kommt und sich von der ersten Sekunde an in den heißesten, unerreichbarsten Bad Boy verliebt?

— S. 32

Wie hat mir Crave gefallen?

Crave hat 688 Seiten. Ein einzi­ges Buch hat mehr Sei­ten als die letz­ten Bücher zu­sammen, die ich in den letz­ten Mona­ten ge­le­sen habe, und dennoch habe ich Crave inner­halb weni­ger Tage be­endet. Mir hat die Lektü­re un­glaub­lich viel Spaß ge­macht, und für mich ist dieser Lese­spaß tat­säch­lich der größte Plus­punkt des Ro­mans: Du wirst gut unter­halten, musst schmun­zeln und das ein oder andere Mal die Augen verdrehen. 

Aber von vorn: Diese Ge­schich­te handelt von Grace, deren El­tern ge­stor­ben sind und die nun nach Alas­ka zieht. Dort ist ihr Onkel Di­rek­tor eines Inter­nats, das auch Grace fort­an be­su­chen wird. Sie findet schnell An­schluss, da ihre Cou­sine Macy eben­falls an dem Internat ist, aber ge­nerell zei­gen einige Fi­gu­ren Inte­resse an Grace.

Ich war echt über­rascht, wie schnell die Ge­schich­te ihren Lauf nimmt und sich ein Kli­schee ans nächste reiht. Ich habe mich im ers­ten Mo­ment etwas über­rumpelt ge­fühlt, aber ganz ehrlich? Wieso eigent­lich nicht? Es hat mir so viel Spaß ge­macht, die Ge­schichte mit­samt Kli­schees zu lesen, und ich glaube, Tracy Wolff spielt be­wusst mit ihnen.

Keine zehn Minu­ten am Inter­nat trifft Grace auf Jaxon, der ihr fort­an nicht mehr aus dem Kopf ge­hen möchte und der … nun ja … nicht ganz mensch­lich ist. Wenn ihr euch das Cover an­seht, zum Bei­spiel die Schrift, das Farb­konzept oder das will­kür­liche Motiv, das in der Mitte prangt. Erinnert euch das an et­was? Ich sehe es an und sehe Twi­light. Und liebe Leute, ich sag’s euch: Ich steh auf Vampir­roman­zen. Es ist eine Art Guilty Pleasure. Ich habe da­mals Bis(s) ge­liebt – liebe die Rei­he auch heute noch –, jetzt liebe ich Crave. Es gibt aber einen gro­ßen Unter­schied zwi­schen den bei­den Rei­hen, der nicht nur die Fi­gu­ren, die gene­relle Hand­lung und den Wel­ten­bau be­trifft. Ich spre­che von den beiden Au­torinnen und wie sie an die Ge­schich­ten he­ran­gegan­gen sind. 

rezension crave tracy wolff

Ausdruck

Ich werfe diese Be­haup­tung jetzt ein­fach mal in den Raum: Wenn ich an Bis(s) denke, habe ich eine Auto­rin vor Au­gen, die jeden Satz bedacht und ernst schreibt. Wenn ich an Crave denke, habe ich eine Auto­rin vor Au­gen, die sich selbst auf die Schippe nimmt und be­wusst mit Kli­schees spielt. Und liebe Leute, ich feiere es. Ich feiere es so sehr, glaube aber auch, das dies der Punkt ist, an dem die Mei­nungen stark aus­einander­gehen. Ent­weder man mag das Selbst­ironi­sche oder man hasst es. Ich hab’s ge­liebt, es ist ab­so­lut mein Hu­mor, und ich habe so oft lachen müssen. Richtig lachen! Beim Lesen! Das passiert mir wirk­lich selten. 

Für Leser*innen ist es ziem­lich offen­sicht­lich, was für einer Spezies Jaxon an­ge­hört. Grace er­fährt dies ver­hältnis­mäßig spät im Roman. Ich stehe dem zwie­ge­spalten ge­gen­über. Einer­seits war ich ge­nervt davon, dass Grace es ein­fach nicht blickt, ob­wohl so viel offen­sicht­lich ist – allein wie sämt­liche Figu­ren mit ihr spre­chen. Ander­er­seits hatte ich da­durch so viele lus­tige Passagen wie bei­spiels­weise folgen­den SMS-Chat:

Ich
*knurr* Musst du immer so bissig sein?

Jaxon
Du hast keine Ahnung, WIE bissig ich bin

— S. 232

Ja, ich weiß. Es ist schon etwas trashig, aber ist es nicht auch un­fass­bar amü­sant? Ich liebe solch einen stumpfen Hu­mor ein­fach. Ich glaube, die Frage ist, wie hoch die Chan­cen stehen, dass Leser*innen Crave mö­gen, wenn man für die­se Wort­witze und Kli­schees nicht so viel übrig hat, denn Hand aufs Herz: Das Buch ist voll davon. 

Doch Crave ist nicht nur eine lus­tige Ge­schichte, die mit Kli­schees spielt. Tracy Wolff kann rich­tig schön schrei­ben. Der Text liest sich ange­nehm und leicht, ich bin förm­lich durch die Sei­ten ge­flo­gen. Der Klappen­text be­schreibt die Ge­schich­te als mit­reißend und genau so ist es. Das ist mei­ner Mei­nung nach auch maß­geb­lich dem – höhö – mit­reißen­den Schreib­stil geschuldet.  Gleich­zei­tig baut die Auto­rin eini­ge schö­ne Formu­lierun­gen ein. Gerade die Umgebungsbeschreibungen, wenn Grace außer­halb des Schlosses in der Natur unter­wegs ge­we­sen ist, haben mir ge­fallen.

Diesmal besteht er nicht aus Nadel-, sondern aus hohen Laubbäumen, an deren kahlen, mit einer glitzernden Eisschicht überzogenen Ästen statt Blättern leise klirrende Eiszapfen hängen. Einen Moment lang bleibe ich stehen und bestaune die flirrenden regenbogenbunten Punkte, die das durch das vereiste Geäst fallende Sonnenlicht um meine Füße tanzen lässt.

— S. 145

Figuren

Grace und Jaxon treten als Haupt­figu­ren des Ro­mans auf, und ich mochte beide sehr. Sie waren mir ge­nerell ein­fach sym­pa­thisch. Wie ge­sagt hat es mich etwas ge­nervt, dass Grace für eine lange Zeit recht naiv durch das Inter­nat läuft, aber es hat mich dann doch nicht so ge­stört, dass dies als gro­ßer Kritik­punkt auf­ge­fasst werden sollte.

Grace ist die einzige Figur, von der ich mir ein wirk­lich um­fang­reiches Bild ma­chen konnte. Nicht nur weil Crave aus ihrer Pers­pek­tive ge­schrie­ben ist, sondern weil ihre Pers­pek­tive es auch wirk­lich in sich hat. Es gibt viele inne­re Mono­loge und auch wenn ich die­se inte­ressant fand, waren sie mir an eini­gen Stellen zu lang. Dieses Buch hätte mei­ner Mei­nung nach gut funkti­oniert, wenn es eini­ge Sei­ten kür­zer wäre. Ich hätte gut und gerne auf den ein oder ande­ren inne­ren Mono­log ver­zich­ten können. Aber hey, als Lese­rin wusste ich genau, wie Grace zu allem und je­dem steht, und da­rüber möch­te ich mich nicht be­schweren. 

Jaxon fand ich spannend und be­sonders zu­sammen habe ich die Fi­guren ge­mocht. Jaxon geht als Bad Boy durch, aber Grace ist un­glaub­lich schlag­fer­tig, sodass Leser*innen in den Ge­nuss von zahl­rei­chen amü­san­ten Dia­lo­gen kommen. Mir hat ge­fallen, wie sich Jaxon gibt, gera­de weil Grace ihm auf Augen­höhe be­geg­net und mit ihm und sei­nen Sprü­chen mit­hal­ten kann. Es ist eine tolle Che­mie zwi­schen den beiden! Ich mochte auch Jaxons Hu­mor sehr. Klei­ner Spoiler für den rest­li­chen Ab­satz: Er kennt Twilight und es gibt eine herr­li­che Szene dazu … Mir haben auch die letz­ten Kapi­tel sehr ge­fallen, die aus sei­ner Sicht ge­schrie­ben sind. Ich hätte mir so­gar noch mehr Kapi­tel aus seiner Pers­pek­tive ge­wünscht. 

dtv rezension crave tracy

Nebenfiguren

Die weite­ren Figu­ren wie Lia, Macy, Flint und Graces Onkel fand ich lei­der etwas ober­fläch­lich. Be­son­ders Flint ist mir im Lau­fe der Ge­schich­te ans Herz ge­wachsen und ich mochte ihn soo gern, dass er im nächsten Band ruhig präsen­ter auf­treten darf. Ich hätte so gern mehr über ihn er­fah­ren. Auch habe ich mein Herz ein we­nig an Macy ver­loren, die purer Zucker ist. Aber auch hier: Ich möchte mehr Macy, da­mit ich ein tiefer­gehen­des Bild von ihr habe. Aus ihrem Cha­rak­ter kann man noch so viel raus­holen und ich bin wirk­lich ge­spannt, was Tracy Wolff aus den Fort­setzun­gen macht.

Vielleicht sei hier betont, dass ich mir diesen Tief­gang vor allem in Be­zug auf die Magie der ver­schiede­nen Schüler*innen wünsche. Vampire sind nämlich nicht die ein­zige über­natür­liche Spe­zies, aber irgend­wie die ein­zige, über die man etwas mehr im De­tail er­fährt. Generell hatte ich beim Le­sen oft den Film Hotel Trans­sil­vanien vor Augen. Einfach von den We­sen und der gene­rellen Atmosphäre her. 

Handlung

Ich habe bereits in einem der ersten Ab­sätze ge­schrie­ben, dass Crave nicht um den hei­ßen Brei redet. Es geht wirk­lich flott zur Sache. Ich glaube, die erste Szene zwi­schen Jaxon und Grace, bei der die Fun­ken flie­gen, ist in einem der ers­ten drei Kapi­tel – und die Kapi­tel sind ver­dammt kurz.

Insgesamt gibt es ziem­lich viel Drama in der Ge­schich­te. Alles passiert Schlag auf Schlag. Ich bin hier ehr­lich ge­sagt etwas unent­schlossen, weil ge­rade die Fi­guren sehr inten­siv inner­halb kürzes­ter Zeit empfin­den (wenn ich mich rich­tig erinne­re, spielt sich die ge­samte Hand­lung in nicht ein­mal zwei Wochen ab) und ich nicht soo der Fan von Instant Love bin. Anderer­seits ist es ein­fach unfass­bar spannend und ich per­sön­lich konnte das Buch nicht aus den Hän­den legen. Inner­halb von zwei Ta­gen hatte ich über drei­hun­dert Seiten ge­lesen. Ich kann mich nicht erinnern, wann das das letzte Mal passiert ist. 

Für mich hielt Crave einige Überra­schun­gen parat. Gerade zum Schluss gab es einige Twists, die ich nicht habe kommen se­hen. Ich muss auch ehr­lich sagen, dass ich un­sicher war, wel­che der Figu­ren ich als Anta­gonist*innen be­trach­ten soll. Mich per­sön­lich hat die Auto­rin da gut an der Nase he­rumge­führt, auch wenn es bei einer Fi­gur sehr offen­sicht­lich ist. Den Cliff­hanger am Ende mochte ich eben­falls! 

Insgesamt bleibt mir nichts ande­res zu sagen, als dass ich mich auf die Fort­setzung freue und mich teil­weise wie in meine Teenager­jahre zurück­ver­setzt ge­fühlt habe. Ich habe es geliebt.

Crave ist eine leichte Lektüre, die Humor, Spannung und viel Herzschlag verspricht. Ich bin durch die 688 Seiten nahezu geflogen und freue mich nun sehr auf die Fortsetzung.

Janika Zeilenwanderer Signatur

Eckdaten: Tracy Wolff – Crave – dtv – 2021 – 688 Seiten – 20,00 €

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  • Tina

    September 26, 2021 at 19:37
    Reply

    Hi Janika, Spaß dabei haben und die Story nicht so für voll nehmen - ähnlich hat es auch Jill von Letterheart ausgedrückt. Ich denke auch, man weiß hier, was man erwarten darf. Entweder man hat Lust drauf oder nicht. ich finds schon mal gut, dass die Autorin, die Klischees aufs Korn nimmt. Liebe […] Read MoreHi Janika, Spaß dabei haben und die Story nicht so für voll nehmen - ähnlich hat es auch Jill von Letterheart ausgedrückt. Ich denke auch, man weiß hier, was man erwarten darf. Entweder man hat Lust drauf oder nicht. ich finds schon mal gut, dass die Autorin, die Klischees aufs Korn nimmt. Liebe grüße Tina Read Less

    • Janika
      to Tina

      November 5, 2021 at 10:12
      Reply

      Liebe Tina, ganz genau so ist es. Ich glaube auch, es hat viel mit der Stimmung zu tun. Mir persönlich hat es absolut zugesagt, aber ich kann auch verstehen, dass man ein Buch wie »Crave« nicht jederzeit lesen kann. Alles Liebe. Janika

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