Naomi Novik – Das kalte Reich des Silbers

Ihr Lieben, kennt ihr das, wenn ihr ein Buch zu eurer neuesten Lek­tü­re er­wählt und recht hohe Er­war­tun­gen an die Ge­schich­te habt? Ihr kennt den Autor be­reits und wisst, dass ihr mit der Wahl des Au­tors eine ziem­lich ver­läss­liche Quelle dafür ge­wählt habt, dass die Ge­schich­te tat­säch­lich gut wer­den könnte. Zu Beginn seid ihr auch recht be­geistert, aber mit der Zeit merkt ihr immer stär­ker, dass dieses Buch nicht das ist, was ihr euch ge­wünscht habt. So ging es mir lei­der mit dem neuesten Werk von Naomi Novik: Das kalte Reich des Sil­bers. Heute habe ich für euch meine Re­zen­sion zu der Ge­schich­te. Viel Spaß mit dem Bei­trag.

Kurzbeschreibung

Mirjem ist die Tochter eines Pfand­lei­hers, doch dieser ist zu gut­her­zig, so­dass er über die Jahre arm wurde. Sie über­nimmt eines Tages seine Rolle und be­merkt, dass sie ein Ta­lent hat, das Geld ein­zu­trei­ben. So über­nimmt Mirjem die Ge­schäfte ihres Vaters, um ihre Fami­lie vom Hunger zu be­freien. Während sie die Geschäf­te von Tag zu Tag weiter aus­baut, wird sie eis­kalt. Und auch ihre Ta­len­te spre­chen sich herum … So wird der König der Staryk auf Mirjem auf­merk­sam und ver­langt von ihr, sein Silber zu Gold zu machen. Scheitert sie an der Auf­gabe des un­heim­li­chen Eis­wesens, wird sie sterben.

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Meinung

Wie bereits in der Ein­lei­tung er­wähnt, habe ich mich sehr auf die Lek­türe ge­freut. Vor eini­gen Jah­ren habe Uprooted von der Auto­rin ge­le­sen, was ich sehr mochte. Nicht nur war der Schreib­stil so herr­lich un­ge­wöhn­lich und ver­träumt, auch die Hand­lung ist außer­ge­wöhn­lich und ori­gi­nell. Naomi Novik ist zwar eine US-ameri­kani­sche Schrift­stelle­rin, doch ihre Ge­schich­ten sind oft von ost­euro­päi­schen Märchen inspi­riert, da sie selbst mit polni­schen Mär­chen auf­ge­wachsen ist.

Für mich ist allein das schon et­was, das den Reiz ihrer Ge­schich­ten für mich aus­macht, denn viele ost­euro­päi­sche Mär­chen sind mir kei­nes­wegs ein Be­griff. Das kalte Reich des Silbers soll hin­gegen an Rumpel­stilzchen an­ge­lehnt sein, doch die Ähn­lich­keit habe ich per­sön­lich nur an manchen Stellen be­merkt. Nichts­desto­trotz sticht die Ge­schich­te mit ihrer un­ge­wöhn­lichen, düste­ren und teils sehr me­lancho­li­schen Hand­lung hervor. Aller­dings leider auch durch ihre Lang­atmig­keit. 

Ich konnte sie an meiner Seiten spüren: ein Hauch von kälterem Wind, der versuchte, sich an mich zu pressen und durch meine Haut zu schneiden. Aber ich kümmerte mich nicht darum. Die Kälte in mir war größer als die Kälte da draußen.

— S. 46

Art der Erzählung

Mirjem ist die Prota­gonis­tin des Ro­mans, doch es gibt noch einige wei­tere Neben­figu­ren, die eine große Rolle in Das kalte Reich des Silbers ein­nehmen und die Ge­schich­te er­zäh­len. Ins­ge­samt gibt es, wenn ich mich nicht irre, vier Erzähl­pers­pek­tiven. Manch­mal werden zu­dem die gleichen Er­eig­nisse aus den Pers­pek­tiven unter­schied­licher Fi­gu­ren erzählt. Irgend­wie inte­ressant, irgend­wie aber auch etwas lang­wei­lig. In diesen Fällen hätte ich mir ge­wünscht, man würde die Ereig­nisse in einem Ka­pi­tel ab­schlie­ßen und aus der Pers­pek­tive einer ande­ren Figur fort­setzen.

Generell fand ich die Erzähl­weise ge­wöhnungs­be­dürf­tig, teil­weise auch sehr ver­wirrend, weil die Kapi­tel zwar aus unter­schied­li­chen Pers­pekt­iven er­zählt werden, aber nur Zahlen als Über­schrif­ten dienen. So musste ich mich mit jedem Kapi­tel fragen, wer über­haupt er­zählt und welchem Hand­lungs­strang ich folge. Der Schreib­stil ähnelt nicht dem von Uprooted. Er ist weni­ger aus­ge­schmückt und ausschwei­fend. Dafür ist er mehr auf den Punkt ge­bracht und für Noviks Ver­hält­nisse echt knackig. Jedoch hat es die Auto­rin nicht hin­be­komme, den einzel­nen Fi­gu­ren eine eige­ne Stimme zu geben, so­dass der An­fang jedes Kapi­tels für mich zum Rate­spiel wurde. Ich konnte vom Schreib­stil allei­ne ein­fach nicht sagen, wer er­zählt.

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Was mich tatsächlich auch sehr ver­wirrte: Die Ge­schich­te wird zwar aus unter­schied­li­chen Pers­pekti­ven er­zählt und dies ge­schieht sogar aus der ersten Person Singu­lar, dennoch gab es keines­wegs Emo­tio­nen, die während der Lek­türe bei mir her­vor­kamen. Sämt­li­che Figu­ren be­rich­ten ledig­lich von Tat­sa­chen. Von den Din­gen, die sie machen – eine per­sön­liche Note kommt dabei bei keinem zu­tage. Die Um­ge­bung und alles wurde schön be­schrie­ben, das Ge­fühls­le­ben keines­wegs.

Handlung

Der Ort der Handlung ist Wisnja, was mir sehr gut ge­fallen hat. Wisnja wirkt wie eine Mi­schung aus Polen, Russ­land und Litau­en. Damit hat Naomi Novik für mich ein Setting ge­schaffen, das ich in Büchern prak­tisch nie zu Ge­sicht be­komme. Ich mochte die Kälte, das Raue, das Un­ge­wöhn­liche und ich wünsche mir tat­säch­lich mehr Ge­schich­ten mit einer solch be­sonde­ren Atmosphäre.

Bis die eigentliche Handlung ein­setzt, ver­gehen je­doch mehrere hundert Sei­ten. Ich gebe ehr­lich zu: Ich habe kämpfen müssen, um die­ses Buch über­haupt wei­ter zu lesen, weil es mich die meiste Zeit so ge­lang­weilt hat. Ganz ver­stehen konnte ich die Hand­lung auch nicht. Also was genau der rote Faden sein soll. Man er­fährt un­zähli­ge un­wich­tige Dinge und auf drei­ßig Seiten gibt es vielleicht einen Satz, der wirk­lich wichtig ist und die Ge­schich­te voran­bringt. Dadurch zieht sich Das kalte Reich des Silbers ins Uner­messliche.

kalte reich des silbers

Figuren

Die Figuren fand ich dennoch ge­lun­gen. Gerade Prota­gonis­tin Mirjem fand ich fas­zi­nierend. Sie ist selbst­be­wusst und setzt sich durch. Doch sie wirkt auch herz­los und kalt, was ich selten von Haupt­figu­ren kenne. In der Regel hat man ja doch Fi­guren im Zen­trum eines Ro­mans, mit denen sich die Leser iden­tifi­zie­ren können. Hier fiel es mir per­sön­lich etwas schwer, aber durch die inte­ressan­ten Cha­rak­tere fand ich dies nicht schlimm.

Allgemein empfinde ich die Charak­tere des Ro­mans als sehr viel­schich­tig. Sei dies die eben ge­nannte Mirjem oder ihre Freundin / Helfe­rin im Haus­halt Wanda. Wanda und Mirjem sind zudem sehr unter­schied­liche Fi­gu­ren und es ist inte­ressant zu sehen, wie die beiden mit­einan­der agie­ren und was sie von­einan­der lernen.

Eine ebenfalls große Rolle spielt Irina. Ähn­lich wie Mirjem konnte sie mir nicht ganz ans Herz wachsen. Sie war mir mit­unter zu eigen­sinnig und dis­tan­ziert, was ver­mut­lich dem eher sach­lichen Schreib­stil ge­schuldet ist. Was mir jedoch auch an Irina ge­fallen hat. Genau wie Mirjem findet sie sich nicht mit ihrem Schick­sal ab und wartet nicht auf den Retter in der Not.

Einer der Böse­wichte ist der Staryk-König. Ich denke, diesen kann man recht gut mit dem Night King aus Game of Thrones be­zeich­nen. Er mag vielleicht nicht ganz so böse sein, aber alles, was der Leser von seinem Lebens­stil und seiner Op­tik er­fährt, passt ge­nauso gut zum Night King.

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Gedankenkrümel

Was ich von dem Buch halten soll, weiß ich ehr­lich gesagt nicht. Ich mochte das Ma­gi­sche und die märchen­hafte Atmosphäre des Ro­mans. Gleich­zei­tig hätte man für mich auch auf mehre­re hundert Seiten ver­zich­ten können. Es hätte einfach etwas mehr Ab­wechs­lung und Spannung zu Be­ginn des Ro­mans geben können. Das hätte mich jeden­falls mehr zum Lesen moti­viert, denn das war wirk­lich einer der Knack­punkte: Ich habe mich manch­mal zum Lesen zwin­gen müssen.

Der Ausgang der Ge­schich­te war einer­seits vor­her­seh­bar, ande­rer­seits uner­wartet. Jedoch war das Ende für meinen Ge­schmack etwas zu kitschig im Ver­hält­nis zum übri­gen Roman. Die Stimmung ist kalt, be­droh­lich und düster. Dass es auf ein­mal einen der­arti­gen Um­schwung gibt, fand ich un­passend. Das kalte Reich des Silbers war kein Fehl­griff, aber rich­tig warm wurde ich mit der Ge­schich­te auch nicht.

Das kalte Reich des Silbers konnte mich leider nicht so begeistern, wie ich es mir gewünscht hatte. Die Geschichte zieht sich, die Erzählperspektiven empfand ich als verwirrend, aber immerhin ist der Schreibstil wunderbar zu lesen und die Figuren vielschichtig.

Janika Zeilenwanderer Signatur

Eckdaten: Naomi Novik – Das kalte Reich des Silbers (übersetzt von Marianne Schmidt) – cbj – 2019 – 576 Seiten – 18,00 €

– Vielen Dank an das Bloggerportal für das Leseexemplar. –

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