Christelle Dabos – Die Spiegelreisende: Die Verlobten des Winters

Ihr Lieben, im März erschien ein Buch, das durch einige Kritiken ziemlich viel Beachtung bekommen hat. Es wurde nämlich als der neue Harry Potter bezeichnet! Von welchem Buch ich spreche? Ist doch klar: Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters von Christelle Dabos. Nun habe ich mich auch an den Roman gesetzt und muss sagen, dass ich den Kritiken nur zustimmen kann. Als den neuen Harry Potter würde ich das Buch wohl nicht bezeichnen, aber auf jeden Fall als jungen Klassiker. Viel Spaß mit der Buchbesprechung!

Kurzbeschreibung

Ophelia lebt auf der Arche Anima, wo sie ein Museum führt. Sie versteckt sich am liebsten hinter ihrer Brille und einem alten, langen Schal, der bereits bessere Tage hinter sich hat. Ophelia kann jedoch etwas ganz Besonderes: Sie kann Gegenstände lesen. Das bedeutet, dass sie die Geschichte eines Gegenstandes erfährt, sobald sie ihn in den Händen hält. Außerdem kann sie durch Spiegel reisen, was ein praktische Fähigkeit sein kann. Doch ihr ruhiges Leben wird gestört, als ihre Mutter sie mit einem Mann vom eisigen Pol verlobt. Ophelia verlässt ihr Zuhause, um ins Unbekannte zu vollkommen Fremden zu ziehen …

Es heißt oft, alte Behausungen hätten eine Seele. Auf der Arche Anima, wo Dinge ein Eigenleben führen, neigen die alten Häuser vor allem dazu, furchtbar schrullig zu werden.

— S. 9

Meinung

Die Verlobten des Winters ist ein ganz schöner Schinken, das muss man dem Buch lassen. Mit 535 Seiten ist das Hardcover ein ganz schöner Batzen im Regal. Meiner Meinung nach bieten sich längere Geschichten immer schön für Leserunden an, da man ausgiebig diskutieren kann und die Vielfalt des Romans durch viele Augen unterschiedlich aufgefasst wird. So habe ich Die Verlobten des Winters mit fünf anderen Mädels gelesen und wir hatten eine wirklich schöne Leserunde.

Ich gebe zu: Die Verlobten des Winters hat mich von der ersten Seite an gepackt. Das liegt unter anderem an dem allerersten Satz, den ihr oben schon lesen durftet. Ich konnte direkt spüren, dass mich eine ganz außergewöhnliche Geschichte erwartet, mit einer wunderbar schrulligen Hauptfigur und einer absolut fantastischen Welt. Aber gut, schauen wir uns das Buch einmal genauer an.

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World-Building

Am besten hat mir in der Geschichte tatsächlich das ganze Setting und World-Building gefallen. Ophelia wächst auf der Arche Anima auf und ist daher eine Animistin. Die Welt, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr – stattdessen leben die einzelnen Völker auf Archen, die ich mir wie riesige schwebende Inseln vorgestellt habe. Ob sie alle schweben oder ob es nur meine Vorstellung aufgrund des Covers ist, das einen ganz besonderen Ort zeigt, weiß ich leider nicht genau, aber in meiner Vorstellung war es einfach so. Und so war es fantastisch.

Den Kopf weit in den Nacken gelegt, konnte Ophelia ihren Blick einfach nicht von der monumentalen Stadt losreißen, die sich bis zu den Sternen erhob.

— S. 123

Jeder Arche wohnt ein Familiengeist inne und jeder Bewohner einer Arche kann seine Wurzeln zurück zu diesem Familiengeist verfolgen. Dementsprechend sind die Anwohner auf einer Arche allesamt verwandt und wie eine riesige Familie. So groß, dass sie sich teilweise nicht einmal untereinander kennen. Mir hat dieser Aufbau unglaublich gut gefallen. Er ist einfach so sonderbar und anders. Und dass man mit Originalität in Romanen punkten kann, ist immer eine ganz besonders schöne Sachen. Vom Setting her konnte mich der Roman voll und ganz überzeugen.

Schreibstil

Christelle Dabos hat einen Schreibstil, wie ich ihn selten erlebt habe. Er ist flüssig und fällt besonders wegen der einzigartigen Wortwahl auf. Der Schreibstil passt einfach zu der eh schon schrulligen Geschichte. Wenn man jemandem einen Kaffee anbietet, bietet man einen Napf Kaffee an. Personen werden als Schusselsusen bezeichnent. Der Ausdruck ist einfach klasse. Christelle Dabos verfügt über einen wundervollen Wortschatz, durch den eine ganz besondere Stimmung erzeugt wird. Alles ist recht detailliert beschrieben, aber diese Ausführlichkeit führt nicht zu Langeweile.

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Figuren

Sich Charaktere ausdenken, das kann Christelle Dabos. Einige Anwohner der Archen haben magische Fähigkeiten und zu ihnen zählt auch Ophelia, die Objekte »lesen« kann. Nicht in dem Sinne, wie wir jetzt denken, sondern dass sie die Geschichte eines Gegenstandes unter Berührung ihrer Hände erfährt. Auch am Pol haben die Menschen Fähigkeiten. Jedoch unterscheiden sie sich enorm von Ophelia und ich bin schon sehr gespannt, was es noch alles an Magie auf den anderen Archen gibt. Bisher sind vier Bücher beim Inselverlag angekündigt und ich hoffe, dass Ophelias Reise sie noch auf viele andere Archen bringt.

Was ich ebenfalls mochte, war die große Anzahl an Figuren. Ich habe zwar hin und wieder etwas gebraucht, um mir alle Charaktere zu merken, aber das war es auf jeden Fall wert. Die Geschichte ist durch das Figurenspektrum äußerst komplex und auch abwechslungsreich. Gerade weil sich jeder Charakter vom Rest unterscheidet. Und auch hier: Die Figuren sind so schräg. Ich weiß nicht, wie man auf diese Ideen kommt, aber ich mag es.

Während er das sagte, tätschelte er ihr den Kopf, als wäre sie ein Kind, das sich verlaufen hatte. Ophelia fragte sich, ob er vielleicht seinen Spott mit ihr trieb.

— S. 178

Das Einzige, das mir bei den Figuren nicht gefallen hat, ist, dass sie mir an manchen Stellen etwas zu vorhersehbar gewesen sind. Genauso wie die Handlung. Manche Dinge konnte man schnell erahnen, was dem Roman ein wenig an Spannung geraubt hat.

Handlung

Bei der Handlung bin ich mir nicht recht sicher, wie ich sie einschätzen soll. Das erste Drittel empfand ich persönlich als sehr spannend, aber das lag keinesfalls an der Handlung, sondern an der Einführung in die Welt. Man lernte Ophelia, ihre Familie und das ganze Universum der Spiegelreisenden kennen. Das war spannend. Die Handlung … nun ja. Es ist nicht sonderlich viel passiert. Und als dann einige Kapitel später die Handlung wirklich losgeht, ist sie eben etwas vorhersehbar. Man konnte sich an einigen Kapitelenden die möglichen Folgehandlungen vorstellen und tatsächlich sind sie bei mir meistens eingetroffen.

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Das ist nicht unbedingt schlecht, aber ich hätte mir gewünscht, dass an manchen Stellen doch etwas mehr passiert, mit dem ich nicht gerechnet habe. In meinen Augen lebt das Buch eindeutig von seinen Figuren, dem World-Building und dem Schreibstil. Diese drei Komponenten kreieren ein einfach magisches und einzigartiges Buch. Dennoch habe ich das Gefühl, dass der gesamte erste Band eben das ist: ein erster Band.

Leser werden in die Welt eingeführt, lernen alles kennen, können sich einen Überblick von den unterschiedlichen Völkern machen und dann geht es in Band zwei (vermutlich) wirklich ans Eingemachte. Das Ende bestätigt diese Theorie auch. Ich glaube, vom zweiten Band darf man sich einiges erhoffen und ich freue mich schon sehr, wieder in diese Welt einzutauchen. Allerdings hat sich Die Verlobten des Winters meiner Meinung nach schon etwas gezogen und ich bin mir nicht sicher, ob ich das mag oder nicht.

Eine einzigartige Welt, schrullige Figuren und ein außergewöhnlicher Schreibstil machen Die Verlobten des Winters zu einem ganz besonderen Leseerlebnis. Auf den gesamten Roman verteilt hätte es für mich ein paar mehr Spannungsbögen und weniger Längen geben müssen, damit das Buch für mich ein Highlight wäre.

Janika Zeilenwanderer Signatur

Eckdaten: Christelle Dabos – Die Spiegelreisende: Die Verlobten des Winters (übersetzt von Amelie Thoma) – Inselverlag – 2019 – 535 Seiten – 18,00 €

– Herzlichen Dank an den Inselverlag für das Rezensionsexemplar –

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Comments

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  • Miss PageTurner

    Juli 11, 2019 at 9:27
    Reply

    Huhu =) Eine wirklich schöne Rezension, der ich im Grunde in allen Punkten zustimmen kann, auch wenn mich persönlich das eher langsame voranschreiten der Handlung gar nicht gestört hat, dafür waren Figuren und Welt einfach zu faszinierend. Und irgendwie ist es beruhigend zu lesen, dass andere auch Probleme hatten dieses einzigartige Buch […] Read MoreHuhu =) Eine wirklich schöne Rezension, der ich im Grunde in allen Punkten zustimmen kann, auch wenn mich persönlich das eher langsame voranschreiten der Handlung gar nicht gestört hat, dafür waren Figuren und Welt einfach zu faszinierend. Und irgendwie ist es beruhigend zu lesen, dass andere auch Probleme hatten dieses einzigartige Buch in Worte zu fassen *lach, mir ging es bei meiner Rezension nämlich auch so. Und noch eins am Rande: Dass man in dem Buch von einem Napf Kaffee spricht hat, denke ich, weniger mit Fantasie, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass die Autorin Französin ist zu tun. In Frankreich ist es nämlich üblich zum Frühstück keine Tasse, sondern eine Art Schale bez. Napf voll Kaffee, zu servieren. Als ich in Straßburg bei meiner Gastfamilie war, gab es da zum Frühstück auch immer son Pott voll Kaffee, der aussah wie eine Müslischale. Das hat man sich so angewöhnt, weil viele gerne das morgendliche Croissant, Baguette, Brot ect.hineintunken und damit das besser geht gibt's eben eine Schüssel. Liebe Grüße Sandra Read Less

    • Janika
      to Miss PageTurner

      Juli 15, 2019 at 11:51
      Reply

      Liebe Sandra, ja, die Welt war wirklich faszinierend und die Charaktere haben mir auch ausgesprochen gut gefallen. Für mich konnten sie die Handlung jedoch nicht ganz überdecken, es freut mich aber, dass sie es bei dir konnten! Danke dir auch für den Hinweis mit dem Napf Kaffee. Das wusste ich […] Read MoreLiebe Sandra, ja, die Welt war wirklich faszinierend und die Charaktere haben mir auch ausgesprochen gut gefallen. Für mich konnten sie die Handlung jedoch nicht ganz überdecken, es freut mich aber, dass sie es bei dir konnten! Danke dir auch für den Hinweis mit dem Napf Kaffee. Das wusste ich tatsächlich nicht, aber ergibt definitiv Sinn! :) Alles Liebe. Janika Read Less

  • Kate

    Juni 9, 2019 at 20:38
    Reply

    Hallöchen, deine Rezension ist mal wieder ganz wunderbar! Seit zwei Wochen kämpfe ich jetzt schon mit meiner, habe sie heute fertig gestellt und morgen kommt sie online. Aber wenn ich jetzt deine lese, kommt mir meine so banal vor und dass sie dem Buch überhaupt nicht gerecht wird. Aber mehr kriege […] Read MoreHallöchen, deine Rezension ist mal wieder ganz wunderbar! Seit zwei Wochen kämpfe ich jetzt schon mit meiner, habe sie heute fertig gestellt und morgen kommt sie online. Aber wenn ich jetzt deine lese, kommt mir meine so banal vor und dass sie dem Buch überhaupt nicht gerecht wird. Aber mehr kriege ich momentan einfach nicht hin :D Jedenfalls eine ganz tolle Rezension und ich hatte viel Spaß bei der Leserunde :) Liebste Grüße, Kate Read Less

    • Janika
      to Kate

      Juni 10, 2019 at 10:42
      Reply

      Liebe Kate, vielen lieben Dank! Ich habe auch ordentlich mit der Rezension gekämpft und muss ehrlich sagen, dass ich auch nicht ganz zufrieden mit ihr bin ... Umso schöner, wenn sie dir gefällt! Ich bin schon sehr gespannt auf deine Rezension, meine Liebe. Alles Liebe. Janika

  • evilgenius

    Mai 30, 2019 at 3:27
    Reply

    Es hat dir also gefallen – das sind doch mal gute Nachrichten ^^ Aber du hast kein Wort über Ophelias Verlobten verloren, dabei hat mich der Aspekt besonders interessiert ...

    • Janika
      to evilgenius

      Mai 31, 2019 at 14:10
      Reply

      Hallo, hahaha ja, das sind gute Nachrichten. Dass ich nichts zu Ophelias Verlobten geschrieben habe, hat auch einen guten Grund. Er ist nämlich eine ziemlich besondere Figur und alles, was ich hier schreiben würde, wäre schon ein ziemlicher Spoiler. Die allgemeine Beschreibung, die ich zu den Figuren gegeben habe, passt […] Read MoreHallo, hahaha ja, das sind gute Nachrichten. Dass ich nichts zu Ophelias Verlobten geschrieben habe, hat auch einen guten Grund. Er ist nämlich eine ziemlich besondere Figur und alles, was ich hier schreiben würde, wäre schon ein ziemlicher Spoiler. Die allgemeine Beschreibung, die ich zu den Figuren gegeben habe, passt auch gut zu dem Verlobten. Für mehr müsstest du dann selbst im Buch stöbern :) Aber eines kann ich dir auch noch sagen: Sie sind verlobt, aber das Buch ist keine Liebesgeschichte. Also wenn du auf der Suche nach einem romantischen Buch mit großen Gefühlen bist, ist dieses Buch nicht das geeignete für dich :) Read Less

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