Ihr Lieben, vielleicht wisst ihr es, aber Colleen Hoover zählt mit zu meinen absoluten Lieblingsautoren. Wenn sie ein neues Buch veröffentlicht, kaufe ich es meistens direkt. Nicht bei Too Late. Der Titel erschien im Original schon vor einigen Jahren, sprach mich vom Klappentext her allerdings nicht an. Als dieses Jahr die Übersetzung erschien, kaufte ich es mir aber und habe es Anfang August mit der lieben Zeilentänzerin gelesen. Viel Spaß mit der Rezension zu diesem doch recht düsteren Hoover-Roman.
Kurzbeschreibung
Sloan geht jeden Tag durch die Hölle: Sie lebt bei ihrem Freund Asa – einem brutaler Drogendealer –, von dem sie sich nicht losmachen kann. Sie wird körperlich und seelisch verletzt, ihren Stolz hat sie schon lange hinter sich gelassen und sieht sich in einer ausweglosen Situation. Bis sie auf Carter trifft …
Ich will weg von hier.
Ich will weg.
Nur weg.
Aber ich kann nicht. Weil es hier nicht nur um mich geht.
Meinung
Ich lese die Bücher von Colleen Hoover seit Jahren. Ich bin es gewohnt, dass sie ernste Themen anspricht und sich nicht davor scheut, die Herzen der Leser zu brechen. Aber dass Hoover so düster und tief in die Abgründe der Menschen eintauchen würde, habe ich nicht gedacht. In Too Late tut sie es und diese Rezension zu schreiben, ist für mich daher auch eine kleine Herausforderung. Gehen wir es also an!
Das Buch startet direkt mit einem Schock. Leser werden Zeuge, wie Sloan zu unfreiwilligem Sex genötigt wird. Sie will nicht mit Asa schlafen, aber tut es, weil sie nicht möchte, dass er wütend wird. Die Szene ist erschreckend und wird von Hoover dementsprechend vulgär beschrieben. Dieser teilweise wirklich derbe Ausdruck war ich bis dato nicht von der Autorin gewöhnt, aber so ungern ich solche Wörter lese, so passend waren sie für die Situation.
Handlung
Der Start ins Buch ist schockierend – genau wie der Rest des Buches –, aber man muss Colleen Hoover eines lassen. Sie bindet den Leser unglaublich an die Geschichte. Wie bei jedem Colleen Hoover Buch macht Too Late süchtig. Ich war sofort im Geschehen und wusste, dass Sloan in einer sehr schwierigen Beziehung steckt. Es ist ein gruseliges Thema, eines, das einem eine Gänsehaut verpasst. Ich hatte beim Lesen von Beginn an das Gefühl, dass etwas nicht stimmt.
Dementsprechend düster nimmt das Buch seinen Lauf. Ich befand mich während der Lektüre in einem seltsamen Konflikt, denn auch wenn die Geschichte extrem heftig ist, konnte ich nicht mit dem Lesen aufhören. Es gibt praktisch keinen Stillstand – Colleen Hoover sorgt am laufenden Band für schöne oder schreckliche Momente, die mich mitfiebern ließen.
Ich beuge mich vor und drücke die Stirn gegen das Lenkrad. Mir graut vor dem, was unausweichlich auf uns zukommt.
Was mir bei der Handlung auch extrem gut gefallen hat, ist das logische Denken der Personen. Klar, nicht alle tun das, was man für richtig halten würde, aber es gibt rationales Denken und so verzichtet Colleen Hoover auf jede Menge Drama.
Es gibt ja so Geschichten, in denen verhält sich Person XY aus einem bestimmten Grund, den man als Leser absolut nachvollziehen kann, auf eine gewisse Art. Dies wird von Person XZ aber falsch interpretiert, was zu jeder Menge Drama führt. In Too Late ist das nicht der Fall und ich bin unglaublich glücklich, dass Colleen Hoover Charaktere geschaffen hat, die über kindlichen Streitereien und Missverständnissen stehen. Dafür wäre das Thema des Romans auch schlichtweg das falsche.
Schreibstil + Figuren
Erzählt wird Too Late aus der Sicht von drei Personen: Sloan, Carter und Asa. Colleen Hoover gelingt es dabei, jeder Figur eine andere Grundstimmung mitzugeben. Sloans Kapitel empfand ich als sehr emotional. Man begleitet sie ans College und süßen Flirts. Dabei fühlt man sich wohl. Ganz schnell kann das Szenario jedoch auch wechseln, und der Leser fürchtet sich mit Sloan, fühlt sich bedroht, unsicher und hilflos. Ich mochte Sloan die meiste Zeit der Lektüre über zwar, aber ans Herz wachsen konnte sie mir nicht. Ich konnte sie als Figur nicht immer greifen und fand ihr Verhalten hin und wieder sehr speziell und verwirrend.
Carters Kapitel sind nach einem ähnlichen Muster aufgebaut wie Sloans. Es gibt die leichte, gute Stimmung, doch auch ihr wohnt immer ein bitterer Beigeschmack inne, weil man weiß, dass die Situation schnell umschwenken kann. Auch bei Carter gibt es diese angespannten Kapitel, bei denen man darauf wartet, dass etwas schief geht. Charaktertechnisch ist Carter für mich lange Zeit das Highlight des Buches gewesen. Ich mag ihn unglaublich gerne und finde, dass er sich Sloan gegenüber sehr lieb und fair verhält.
Die Liebe findet dich in der Tragödie.
Das war der Moment, in dem Carter mich gefunden hat. Inmitten einer Serie von Tragödien.
Bei Asa hingegen gibt es eigentlich nur eine Art des Erzählen: Seine Kapitel sind erschreckend brutal, vulgär und wirken bedrohlich. Seine Kapitel haben einfach einen Ton inne, der mich unwohl fühlen lässt. Besonders gruselig finde ich dabei Asas Unberechenbarkeit. Sämtliche Kapitel, in denen er vorkommt, liest man angespannt, weil man auf den Tropfen wartet, der das Fass zum Überlaufen bringt und der ihn explodieren lässt.
Hin und wieder nimmt uns Colleen Hoover auch mit in Asas Vergangenheit und was man dort erfährt, bricht einem das Herz. Im Laufe der Lektüre bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich Asa fürchtete und ihn gleichzeitig bemitleidete.
Das große Aber (Achtung, Spoiler!)
Auf Seite 299 steht das Wort Ende. Das Ende des Buches ist erreicht, und dieser Abschnitt wäre für mich auch ein gelungenes Ende. Man weiß, dass Sloan und Luke zueinander finden, dass es Asa langsam an den Kragen geht, und gleichzeitig ist es so offen, dass man sich eigene Gedanken spinnen kann. Für mich wäre es perfekt gewesen – Too Late wäre ein absolutes Lesehighlight geworden, das mich komplett fesseln konnte.
Doch es geht noch 160 Seiten weiter und mein ehrlicher Tipp an alle, die vorhaben, das Buch noch zu lesen. Spart euch die letzten Seiten. Hört da auf, wo Colleen Hoover Ende schreibt. Der Epilog, der Epilog zum Epilog, der Prolog und alles was auf die letzten Seiten gequetscht wurde, macht das Leseerlebnis kaputt.
Ich weiß auch gar nicht, was ich zu dem Inhalt des Epilogs – ich fasse jetzt mal die einzelnen Abschnitte unter Epilog zusammen – sagen soll. Denn die Dinge, die da passieren, wirken unstimmig zum Rest der Geschichte. Sie sind absolut absurd, die Figuren benehmen sich mehr als seltsam und out-of-character, und im Gesamtbild passt einfach gar nichts mehr zusammen.
Sloan wurde zu einer Figur, die ich vorne und hinten nicht verstehen konnte. Ihr Handeln in einer Szene ist für mich vollkommen unlogisch und ich halte auch nichts davon. Luke hat sich zur puren Kitsch-Person entwickelt und scheint Sloan so sehr zu vergöttern, dass er nicht mehr zum normalen Denken fähig ist. Die einzigen Kapitel, die ich wirklich genießen konnte, waren Asas. Doch auch bei ihnen hat sich Hoover vom logischen Denken verabschiedet. So leid es mir tut, im Epilog wirkt alles an den Haaren herbei gezogen und ich hatte kaum Freude beim Lesen.
Too Late ist ein Buch, das den Leser unglaublich fesselt, emotional in tiefe Abgründe reißt und bestürzt zurücklässt. Ein Buch mit absolutem Suchtfaktor. Das letzte Drittel mit den verschiedenen Epilogen hätte sich Hoover jedoch sparen können – für mich der ausschlaggebende Grund, dass das Buch kein Highlight ist.
Eckdaten: Colleen Hoover – Too Late – bold – 2019 – 464 Seiten – 14,90 €
Comments
Zeilenwanderer – Katie Kacvinsky – First Comes Love
[…] meiden würde. Solche Figuren gibt es in Büchern ja häufig, ich denke da zum Beispiel an Asa aus Too Late. Der Unterschied liegt nun darin, dass Asa einen so furchteinflößenden Charakter […]
Katrin
to Zeilenwanderer – Katie Kacvinsky – First Comes Love
Auch ich liebe die Bücher von Colleen Hoover. Mein erstes Buch war Hope forever - ich war schnell begeistert. Der Schreibstil und die tiefgründige Handlung gefällt mir super und ich werde höchstwahrscheinlich auch dieses Buch lesen, es steht jedoch leider noch nicht in meinem Bücherregal, aber das kann sich ja noch ändern […] Read MoreAuch ich liebe die Bücher von Colleen Hoover. Mein erstes Buch war Hope forever - ich war schnell begeistert. Der Schreibstil und die tiefgründige Handlung gefällt mir super und ich werde höchstwahrscheinlich auch dieses Buch lesen, es steht jedoch leider noch nicht in meinem Bücherregal, aber das kann sich ja noch ändern ;) Read Less
Janika
to Katrin
Hey, ich kann dir »Too Late« auch absolut empfehlen. Der Schreibstil ist gewohnt erstklassig und die Handlung ist auch wunderbar – allerdings eben nur bis zum ersten Ende. Mein ehrlicher Tipp ist wirklich, die letzten 150 Seiten wegzulassen, auch wenn es ein großer Teil des Buches ist. Alles Liebe. Janika