Chanel Miller – Ich habe einen Namen

Es gibt manche Bücher, die nicht rezensiert werden können. Ich habe einen Namen gehört dazu. Ich maße es mir nicht an, eine Rezension über dieses Buch zu schreiben, aber ich möchte dennoch einen kurzen Beitrag verfassen, damit ich vielleicht die ein oder andere Person auf Chanel Millers Geschichte aufmerksam machen kann. Denn sie ist es wert gelesen zu werden und hat so viel Aufmerksamkeit verdient.

Worum geht’s in Ich habe einen Namen?

Unter dem Pseudonym Emily Doe verlas sie vor Gericht einen Brief an den Mann, der sie nach einer Party an der Stanford University vergewaltigt hatte und zu nur sechs Monaten Haft verurteilt worden war. Der Text erreichte Millionen Menschen weltweit, der Kongress debattierte über den Fall, der zuständige Richter wurde abgesetzt, und man änderte die Gesetze in Kalifornien, um Opfer zu schützen. Wortmächtig beschreibt Chanel Miller, wie es sich anfühlt, den eigenen Körper wie eine Jacke abstreifen zu wollen. Wie unsere Gesellschaft über den Alkoholkonsum, die Kleidung und das Liebesleben von Frauen urteilt. Ihre Geschichte zeigt, dass Sprache die Kraft hat, zu heilen und Veränderungen herbeizuführen.

Er hatte meine eine Regel nicht gekannt: Nur ich sage, was ich kann. Wenn du mich unterschätzt, verwechselst du meine Stille mit Schwäche. Wenn du dir mich nicht auf der Bühne vorstellen kannst, steige ich erst recht drauf.

— S. 188

Meine Gedanken

Chanel Miller erzählt in Ich habe einen Namen nicht nur irgendeine Geschichte, sondern ihre eigene. Sie erzählt von den Dingen, die sie nach einer Vergewaltigung erlebte – vom Prozess, von Ungerechtigkeit und Selbstbestimmung, von ihren Gefühlen. Dies tut sie auf eine unglaubliche starke Weise. Ich weiß gar nicht mehr, mit welchen Erwartungen ich das Buch angefangen habe, aber ich habe nicht mit so einem intensiven und wortmächtigen Schreibstil gerechnet.

Chanel Millers Mutter ist ebenfalls Autorin und man merkt Ich habe eine Namen an, dass es von einer Frau geschrieben wurde, die sich intensiv mit Literatur beschäftigt hat. Die Autorin verwebt Worte auf eine derart beeindruckende und kluge Art, dass sich in meiner Ausgabe nun zahlreiche Post-its wiederfinden.

Und junge Männer sind Menschen, sie haben Verstand, leben in einer Gesellschaft mit Gesetzen. Andere zu begrapschen ist kein natürlicher biologisch eingebauter Reflex. Es ist ein kognitives Handeln, das sie kontrollieren können.

— S. 79

Ich habe einen Namen ist definitiv keine leichte Lektüre, die man mal eben zwischendurch liest. Sie ist wichtig und bewegend und machtvoll. Ich habe einige Wochen an dem Buch gelesen, weil ich mich mental nicht immer in der Verfassung gesehen habe, über das Geschriebene zu lesen. Es ist einfach intensiv.

Chanel Miller spricht von sexueller Gewalt, Terror, Verlust, Traumata – dabei führt sie Leser*innen eine Welt voller Horror und Demütigung vor Augen, die ich persönlich nicht jeden Tag verkraften konnte. Insbesondere wenn es um den Prozess geht. Dieser zeigt deutlich auf, wie frustrierend und unfair das Justizsystem sein kann.

Für mich ist Ich habe einen Namen eines der besten Memoiren, die ich bisher gelesen habe. Und ich bin wirklich nachhaltig beeindruckt, wie Chanel Miller ihre Gedanken, Erinnerungen und Emotionen zu Papier bringt. Ich kann euch dieses Buch, auch wenn es mitunter eine sehr schwere Lektüre ist, nur empfehlen.

Wortgewaltig erzählt Chanel Miller von der Nacht, in der sie vergewaltigt wurde, ihren Emotionen und dem, was ihr anschließend widerfuhr. Ich kann Ich habe einen Namen definitiv empfehlen. Für mich ist es ein Jahreshighlight.

Janika Zeilenwanderer Signatur

Eckdaten: Chanel Miller – Ich habe einen Namen – Ullstein – 2018 – 480 Seiten – 20,00 €

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