Han Kang – Menschenwerk

Ihr Lieben, in diesem Jahr habe ich eine Autorin für mich entdeckt. Sie ist Südkoreanerin und ihr Name ist Han Kang. Das erste Buch, das ich von ihr gelesen habe, war Die Vegetarierin, was mir absolut unter die Haut ging. Es folgte Deine kalten Hände, das mir noch etwas besser gefiel, weil es nicht ganz so grausam und verstörend war. Nun habe ich Menschenwerk beendet. Ein Buch, das mir einerseits von allen drei am besten gefällt und andererseits auch das ist, was an Grausamkeiten kaum übertroffen werden kann. Viel Spaß beim Lesen des Beitrags!

Worum geht’s in Menschenwerk?

Ein Junge ist gestorben, und die Hinterbliebenen müssen weiterleben. Doch was ist ihnen ihr Leben noch wert? Han Kang beschreibt in ihrem neuen Roman, wie dehnbar die Grenzen menschlicher Leidensfähigkeit sind. Ein höchst mutiges Buch und ein brennender Aufruf gegen jede Art von Gewalt.

Du wünschst dir, deine Augen wären so schlecht, dass du sogar auf die Nähe verschwommen siehst. Aber da ist nichts verschwommen. Du schließt auch nicht die Augen, bevor du das Laken anhebst. Aber du beißt dir von innen die Lippe blutig.

— S. 46

Meinung

Puh! Menschenwerk ist keine leichte Lektüre. Wie ihr dem Klappentext entnehmen könnt, geht es darum, dass ein Junge gestorben ist und wie das Leben der Hinterbliebenen weitergeht. Was der Klappentext nicht verrät, sondern erst das Vorwort des Buches: Die Autorin erzählt in Menschenwerk bildgewaltig und schonungslos vom Gwangju-Aufstand und dem Massaker, das dem Aufstand im Mai 1980 folgte.

Weil ich wusste, dass das, was die Autorin berichtet, wirklich passiert ist, wollte ich beim Lesen am liebsten eine Barriere aufbauen und die Worte gar nicht zu mir durchdringen lassen. Das war mir nur nicht möglich, sobald Han Kang von all den Kindern und jungen Menschen zu sprechen beginnt, den Überlebenden, den Hinterbliebenen, den Opfern und den Toten …

Wie auch bei den anderen Titeln der Autorin sind die Kapitel in Menschenwerk sehr lang. In jedem Kapitel kommt eine andere Figur zu Wort, die auf ihre eigene Art mit dem Massaker umgeht. Dadurch wurde Menschenwerk für mich zu einem unfassbar facettenreichen Buch.

Ich möchte nicht darüber sprechen, was danach passiert ist. Niemand kann mich zwingen, mir das wieder vor Augen zu führen. Auch Sie nicht.

— S. 117

Bei den Perspektiven wird Han Kang kreativ: Sie lässt Kinder erzählen, einen Geist (dieses Kapitel ist eines meiner liebsten, gleichzeitig aber auch eines der verstörendsten) und erwachsene Figuren. Manche Kapitel finden zur Zeit des Massakers stand, manche zwanzig Jahre später. Die erzählenden Figuren sind dabei alle miteinander verknüpft, sodass die Autorin ein großes Ganzes aus unterschiedlichen Perspektiven baut, das sich über einen Zeitraum von vielen Jahren erstreckt.

Han Kang berichtet auf mitunter schockierende Art von all der Gewalt und all den Grausamkeiten, und ich denke, potenzielle Leser*innen sollten sich vor der Lektüre bewusst machen, auf was für einen Text sie sich einlassen. Mich hat Menschenwerk wirklich zutiefst berührt. Vor allem, nachdem ich erfahren habe, dass Han Kang selbst aus Gwangju stammt und ein Jahr nach dem Aufstand im Alter von elf Jahren aus der Stadt gezogen ist. Es ist keine leichte Kost, aber ich empfinde dieses Buch als unglaublich wichtig, sodass ich es euch auf jeden Fall empfehlen möchte.

Menschenwerk ist das dritte Buch der Autorin, das ich gelesen habe, und ich hoffe, dass noch einige hinzukommen werden. Auch wenn es definitiv keine leichte Lektüre ist, kann ich sie euch empfehlen.

Janika Zeilenwanderer Signatur

Eckdaten: Han Kang – Menschenwerk – atb – 2019 – 222 Seiten – 12,00 €

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