Grace und Sam gingen mit ihrem kleinen Hund Cole durch die Straßen der Stadt, in der sie einst wohnten. Alles war gleich, aber irgendwie auch ganz anders. Vor einem Pub sah Grace plötzlich eine alte Freundin. Sie nahm sofort eine geduckte Haltung ein und schlich sich vorsichtig an ihre Freundin, um sie zu überraschen. Die geduckte Haltung sollte ihr eigentlich überhaupt nichts bringen, da sie und Sam die einzigen Personen auf dem breiten Gehweg waren, aber aus irgendeinem Grund wurden sie von ihrer Freundin nicht bemerkt. Sie schlich also zu ihr, sprang hinter dem Rücken der Freundin hervor und rief aufgeregt »Surprise, ich bin wieder da!«, während sie wild mit den Armen fuchtelte.
»Oh, das ist aber eine schöne Überraschung. Wollen wir zusammen in den Pub gehen, in dem wir früher immer waren?«, fragte die Freundin.
»Nein, danke. Wir wollen gerne noch ins Parkhaus!«, antwortete Grace.
»Ah, okay, klar. Schau mal, ich bin wieder mit meinem Exfreund zusammen. Da kommt er auch schon«, sagte die Freundin und schlang die Arme um die Taille ihres Exfreundes, der soeben angeschlendert kam. Grace hatte ihn nie gemocht und verstand auch nicht, weshalb ihre Freundin wieder mit ihrem einst Verflossenen zusammenkam. Daher ging sie mit Sam und Cole einfach davon.
Die drei erreichten nach einiger Zeit das Parkhaus, das nur aus einer einzigen tiefen überdachten Ebene bestand. Mit Küsschen auf die Wange verabschiedeten sich Sam und Grace von Graces Familie, die witzigerweise zu genau dem gleichen Zeitpunkt in der Tiefgarage auftauchte und mit dem Auto davonfuhr. Sam und Grace hielten sich an den Händen, während sie der Familie hinterher winkten.
»Hach«, seufzte Grace und lehnte sich an Sam. »Solche Abschiede sind immer sehr traurig.«
»Mmm«, gab Sam auch seinen Beitrag zum Gespräch. Als Grace zu ihm aufblickte, bemerkte sie, wie drei Gestalten das Parkhaus betraten. Eine Frau mit einem Dudelsack, ein Mann mit einer Flöte und ein Mann, der kein Instrument in den Händen hielt. Dafür hatte er einen Baseballschläger dabei.
»Die sind aber komisch«, sagte Grace. Sie beschlich ein bedrückendes Gefühl und bemerkte, dass sie von den seltsamen Gestalten beobachtet wurden. Als sie gerade den Blickkontakt zu der Frau hielt, fing ihr Kamerad an zu flöten. Sie stimmte mit ihrem Dudelsack ein und schon bald sang der Mann mit dem Baseballschläger dazu. So begann das Trio im Parkhaus Kreise zu drehen.
Cole wurde auf einmal ganz unruhig und Grace nahm den Hund auf den Arm.
»He, Sam, irgendwie habe ich ein schlechtes Gefühl. Ich glaube, hier lauert das Böse …«, flüsterte sie. Sam beäugte Grace nur, als etwas wirklich Seltsames geschah. Das Trio verdoppelte sich! Wie aus dem Nichts erschienen an einer anderen Stelle im Parkhaus die drei Personen erneut. Wie Klone! Cole begann zu schlottern.
»Sam, ich glaube, wir sollten wirklich gehen. Das ist ein böser Ort«, murmelte Grace erneut. Kurz vor dem Ein- und Ausgang des Parkhauses erschienen auf einmal viele Menschen. Sie waren bester Laune und wirkten etwas betrunken – als würden sie frisch von einer Feier kommen. Grace zog Cole noch näher an ihren Körper. Sie fühlte sich nicht gut. »Lass uns gehen, bitte«, flehte sie nun.
»Okay«, erwiderte Sam. In dem Moment begann der Klon der Frau ihren Dudelsack durch eine Pistole auszutauschen und stellte sich in die Nähe der Menschen, die ins Parkhaus gingen. Sie reckte den Kopf gen Himmel und begann sich im Kreis zu drehen. Die Pistole hielt sie am ausgestreckten Arm nach vorne und während sie sich im Kreis drehte, schoss sie blind in alle Richtungen. Die Menschen fielen zu Boden. Die, die nicht getroffen wurde, machten einfach mit dem weiter, was sie davor taten. Das ist aber eine merkwürdige Art Russisch Roulette, dachte Grace. Im nächsten Augenblick wurde der Gedanke jedoch zu purer Angst. Die verrückte Frau drehte sich mit ihrer Pistole genau da, wo Grace mit Sam und Cole vorbeigehen musste, um das Parkhaus zu verlassen.
»Wir schaffen das!«, rief sie entschlossen zu Sam und drückte Cole noch fester an ihrer Brust. Grace beobachtete die Frau und erkannte ein Muster – sie drehte sich wild im Kreis und schoss jede Sekunde. Grace berechnete im Kopf also, wann genau sie und Sam an der Frau vorbeihuschen mussten, um nicht von einer Kugel getroffen zu werden. Sie wartete, wartete und dann fiel der entscheidende Schuss.
»Los! Jetzt sind wir dran!«, rief sie zu Sam und eilte an der Frau vorbei. Doch diese drehte sich auf einmal in die entgegengesetzte Richtung und schoss. Grace blieb wie angewurzelt vor der Frau stehen. Sie musste getroffen haben. Und das aus nächster Nähe. Doch Grace spürte keinen Schmerz. Bitte lass sie nicht Cole getroffen haben. Nicht den armen Hund, dachte sie, als sie zum Hund in ihren Armen blickte und dieser sie freudig anschaute. Der Hund war nicht getroffen. Ein Glück! Doch dafür sah sie an ihrem Bauch einen riesigen roten Fleck. Grace hatte den Schuss abbekommen. Sie sah den immer größer werdenden Fleck an und fiel einfach um.
Der Writing Friday ist ein Projekt, das von der lieben Read Books and Fall in Love ins Leben gerufen wurde. Dabei gibt es für jeden Freitag im Monat ein Thema, zu dem man etwas schreiben darf. Wahr, ausgedacht, lang, kurz, Gedicht oder nicht — das kann sich jeder selbst überlegen; Hauptsache man schreibt. Bei so einem Projekt schließe ich mich gerne an und schaue, was dabei herauskommt. Bitte erwartet hier aber keine hohe Form von Literatur.
Dieser Text ist zu dem Thema Erzähle von einem Albtraum entstanden.
Comments
Sandra
Ich muss gestehen, ich habe den Text zweimal gelesen, weil ich immer versuche hinter den Texten und Andeutungen zu erkennen was man damit sagen will :)! Der Text sorgt schon für Gänsehaut und immer noch schwirren Fragen in meinem Kopf (Dudelsack? Warum reagiert niemand?)! Wirklich gut gemacht, es sorgt für […] Read MoreIch muss gestehen, ich habe den Text zweimal gelesen, weil ich immer versuche hinter den Texten und Andeutungen zu erkennen was man damit sagen will :)! Der Text sorgt schon für Gänsehaut und immer noch schwirren Fragen in meinem Kopf (Dudelsack? Warum reagiert niemand?)! Wirklich gut gemacht, es sorgt für Bilder in meinem Kopf :)! Liebe Grüße, Sandra Read Less
Janika
to Sandra
Liebe Sandra, oh, ich fürchte eine Deutung wird bei diesem Text etwas schwierig werden, aber wenn du eine Deutung hast, dann gerne her damit! Ich würde auch gerne wissen, wieso mir mein Kopf manchmal so seltsame Dinge herbeizaubert :D :D Herzlichen Dank für deine lieben Worte und alles Liebe. Janika
Katharina
Hey Janika, sehr gruselig und spannend, vor allem weil man nicht wirklich versteht was passiert. Ein wenig erinnert mich dein Text an eine Folge Outerlimits. Grüße, Katharina.
Janika
to Katharina
Liebe Katharina, ja, die Handlung ist wirklich etwas wirr, allerdings ist es daher eine sehr authentische Schilderung meines Traumes :D Den habe ich nämlich auch überhaupt nicht verstanden, und ich war froh, als ich dann endlich aufgewacht bin. »Outerlimits« sagt mir so gar nichts, das recherchiere ich mal! Alles Liebe. […] Read MoreLiebe Katharina, ja, die Handlung ist wirklich etwas wirr, allerdings ist es daher eine sehr authentische Schilderung meines Traumes :D Den habe ich nämlich auch überhaupt nicht verstanden, und ich war froh, als ich dann endlich aufgewacht bin. »Outerlimits« sagt mir so gar nichts, das recherchiere ich mal! Alles Liebe. Janika Read Less
evilgenius
Grace und Sam also ... ich würde auch mal zu gerne von meinen Lieblingsprotagonisten träumen, selbst wenn es Blödsinn ist ^^ Übrigens finde ich es sehr amüsant, dass der Hund Cole heißt ;P
Janika
to evilgenius
Hahaha, es ist tatsächlich ein echter Traum von mir gewesen, allerdings stehen die Namen für meinen Freund, meinen Hund und mich, weil ich es nicht aus der Ich-Perspektive schreiben wollte. Auf der Suche nach passenden Namen sah ich zuerst in mein Bücherregal und entdeckte »Nach dem Sommer«. Da hat's sofort […] Read MoreHahaha, es ist tatsächlich ein echter Traum von mir gewesen, allerdings stehen die Namen für meinen Freund, meinen Hund und mich, weil ich es nicht aus der Ich-Perspektive schreiben wollte. Auf der Suche nach passenden Namen sah ich zuerst in mein Bücherregal und entdeckte »Nach dem Sommer«. Da hat's sofort gestimmt :) Alles Liebe. Janika Read Less
Elizzy
Oh mein Gott! Janika, das ist wirklich wirklich ein schlimmer Albtraum! Ich bekam gegen Ende richtig Herzrasen! Ich finde du hast das Traumszenario mit all seiner unlogischen Abläufe wunderbar getroffen! :D Hab ein schönes Wochenende
Janika
to Elizzy
Hey! Hahahaha, danke. Ich dachte auch beim Schreiben, dass man da sicherlich gut verwirrt ist, wenn man nicht weiß, dass es sich um die Schilderung eines Albtraums handelt :D Alles Liebe und dir auch ein schönes Wochenende. Janika =)