Anabelle Stehl – Breakaway

Ihr Lieben, heute gibt es eine Rezension zu einem der Bücher, auf das ich mich 2020 ganz besonders gefreut habe. Es ist das Debüt von Anabelle Stehl, die vielen Blogger:innen mit Sicherheit ein Name ist, weil sie selbst bloggt. Nun ist Ende November Breakaway bei Lyx erschienen, der erste Band ihrer NA-Trilogie, und dieses Buch schauen wir uns heute einmal an. Viel Spaß mit der Buchbesprechung.

Worum geht’s in Breakaway?

Für Lia bricht eine Welt zusammen, als ihr eine einzige Nacht zum Verhängnis wird. Nicht nur folgen ihr seitdem die Blicke und das Getuschel ihrer Kommilitonen überall auf dem Campus – selbst ihre Freundinnen wenden sich von ihr ab. Als sie es nicht länger erträgt, packt Lia kurzerhand ihre wichtigsten Sachen und setzt sich in einen Bus nach Berlin. Sie hofft, in dem anonymen Trubel der Hauptstadt einen klaren Kopf zu bekommen und wieder zu sich selbst zu finden. Doch dann trifft sie auf Noah, der ihre Welt von einem Moment auf den anderen ein weiteres Mal auf den Kopf stellt …

Meinung

Es fällt mir oft schwer, Anfänge für Rezensionen zu finden, daher starte ich jetzt einfach direkt und fange mit dem Schreibstil an. Ich weiß nicht, wie lange Anabelle Stehl bereits schreibt, aber hätte ich nicht gewusst, dass Breakaway ihr Debüt ist, hätte mich diese Tatsache ziemlich überrascht. Der Schreibstil ist nämlich richtig schön. Er liest sich flüssig, ist dynamisch und klar. Mit Klarheit meine ich, dass Anabelle Stehl ihre Sätze nicht ellenlang ausschmückt und sich ein deutliches Bild beim Lesen festigt. Gleichzeitig gibt es viele schöne Zitate, die ich mir mit Post-its markiert habe. Zum Beispiel dieses hier: 

Wer ist mutiger: Derjenige, der ständig ein Abenteuer nach dem anderen erlebt, immer auf Achse ist? Oder die Person, die ihre gewohnte Umgebung und Routine liebt und es dann plötzlich wagt, aus ihr auszubrechen? Ich glaube, wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Es kommt einfach nur darauf an, was deine Gewohnheit ist. Die zu durchbrechen, das ist mutig.

— S. 35

Was Anabelle Stehl auch richtig großartig gemacht hat: Berlin als Setting hervorzuheben. Eines der Besonderheiten von Breakaway ist, wie einige sicherlich wissen, dass der Roman in der deutschen Hauptstadt spielt. Bei vielen Romanen habe ich das Gefühl, dass das Setting relativ egal ist. Es wird so wenig darauf eingegangen, dass die Handlung in New York, London oder Los Angeles spielen könnte. Dies ist bei Breakaway nicht der Fall und es gibt immer wieder kleine Punkte, bei denen ich mir genau vorstellen konnte, was die Autorin damit meint, und ich habe mich oft direkt nach Berlin versetzt gefühlt. Ein Beispiel? Der Geruch von Berliner U-Bahnen. Es sind so kleine Details, die bei Leser:innen – zumindest bei mir – so viel bewirken können. 

breakaway anabelle stehl rezension

Figuren

Kommen wir zu einem der wichtigsten Faktoren in einer Geschichte: den Figuren. Als Leser:in begleiten wir in Breakaway Lia und Noah. Die Geschichte wird aus den Perspektiven der beiden erzählt, sodass man sie recht gut verstehen sollte. Das traf bei mir jedoch leider nur bei Noah zu. Und auch bei Noah nicht zu einhundert Prozent.

Lia

Mit Lia bin ich einfach nicht warm geworden. Vor einigen Wochen habe ich in meiner Instagram-Story ein Leseupdate zu dem Buch gegeben, in dem ich gesagt habe, dass Lia sämtliche Figuren des Romans auf Distanz hält und ich das Gefühl habe, dass sie dadurch auch mich als Leserin nicht an sich ranlässt. Dieses Gefühl hat mich die gesamte Lektüre über begleitet.

Lia hat etwas erlebt, das sie bis heute prägt, und im Laufe der Lektüre konnte ich erahnen, was Lia in etwa zugestoßen sein muss. Die wirkliche Aufklärung kam jedoch erst nach gut dreihundertsiebzig Seiten und erst danach habe ich Lia (ein wenig) in mein Herz schließen können. Für mich persönlich war das einfach zu spät. Dadurch dass ich nicht wusste, was die Sache ist, hat für mich leider auch das Mitfiebern gefehlt, was gerade bei einem so emotionalen Thema wichtig gewesen wäre. Jedoch muss ich hier sagen, dass dies meine Wahrnehmung ist. Vielleicht ist gerade die Tatsache, dass die Auflösung erst so spät kommt, für manche Leser:innen die Motivation weiterzulesen und das Buch in Windeseile zu beenden. 

Lia hat etwas erlebt, über das sie noch nicht bereit ist zu sprechen. Jedoch hatte ich das Gefühl, dass Lia allgemein sehr wenig über sich spricht und ich quasi nichts über sie erfahren konnte. Lias Leben vor Berlin kam praktisch nicht zur Sprache, sodass ich nicht einmal sagen kann, ob sie Geschwister hat, wie sie zu ihrem Vater steht, ob es diesen überhaupt noch in ihrem Leben gibt oder jemals gegeben hat. Bis auf ihre Liebe zu ihrer Kamera könnte ich auch keine Hobbies nennen. Ich empfand Lia leider als relativ blass. Sie filmt gerne und verarbeitet das, was ihr zugestoßen ist. Das war es irgendwie. 

Dadurch dass ich sie nicht richtig kennenlernen konnte, kam bei mir auch der Eindruck auf, dass ihr Verhalten anderen gegenüber nicht immer fair ist. Ich konnte einfach nicht einschätzen, wie sie etwas meinte, ob sie gewisse Dinge mit Humor sagt oder denkt. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Figuren nicht perfekt sind. Ecken und Kanten sind menschlich und machen Figuren authentisch. Doch wenn ich nur diese eine Seite einer Figur sehe, macht es das für mich etwas schwierig. Im Fall von Lia hat das bei mir dazu geführt, dass ich sie beispielsweise als sehr arrogant empfand. Ich gehe davon aus, dass Anabelle Stehl keine arrogante Figur schaffen wollte, aber mit Aussagen, wie beispielsweise den folgenden, habe ich Lia als arroganten Charakter wahrgenommen. 

Davon abgesehen, dass Noahs Musikgeschmack fast so gut wie mein eigener war, hatte es keinen einzigen unangenehmen Moment zwischen uns gegeben. 

— S. 105

Ich hob die Schultern. »Ist wohl nicht jeder so selbstbewusst wie du.«

— S. 134

Aussagen wie diese hätte ich in manchen Szenen, in manchen Büchern vielleicht amüsant gefunden, aber in Breakaway haben sie für mich eher so funktioniert, dass Lia unnahbar und arrogant rüberkommt. Ich habe manchmal fast etwas Selbstgefälligkeit aus Lias Aussagen gelesen. Dass Lia nicht sofort alles an die große Glocke hängen möchte, ist mehr als verständlich. Dennoch hat es für mich im Verhältnis einfach zu lange gebraucht, bis ich wusste, was genau passiert ist und wieso Lia so ist, wie sie ist. Ich war einfach nicht bei ihr. Selbst jetzt nach dem Beenden des Buches habe ich nicht wirklich das Gefühl, dass ich Lia kennen würde.

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Noah und Lia zusammen

Lia stößt kurz nach ihrer Ankunft in Berlin auf Noah, den ich unglaublich sympathisch fand. Es gibt einige Kapitel, die aus seiner Sicht geschrieben werden, und ich habe sie deutlich mehr genossen als Lias. Wahrscheinlich weil ich Noah besser greifen konnte. Er öffnet sich Lia und hält die Leser:innen nah bei sich. Dadurch hatte ich das Gefühl, ihn auch verstehen zu können. Noah ist herzlich, offen, setzt sich für seine Liebsten ein und ist manchmal recht impulsiv. Er verhält sich nicht immer korrekt, reflektiert sein Verhalten aber, sodass er für mich ein stimmiger Charakter war. 

Für mich war die Balance zwischen Lia und Noah unausgewogen. Noah wirkte in manchen Situation wie der idealisierte Mann und ich hatte hin und wieder das Gefühl, dass Lia ihn vor sich buckeln lässt, was mir missfallen hat. Es ist immer Noah, der sich entschuldigt. Dabei entschuldigt er sich mitunter für Dinge, für die meiner Meinung nach nicht einmal eine Entschuldigung notwendig wäre. Lia nimmt diese aber so hin, relativiert seine Entschuldigungen oder sein Verhalten in keiner Weise. Auch dies hat meinen Eindruck bestärkt, dass ich Lia als selbstgefällig und arrogant wahrgenommen habe.

Andersherum ist Lia für gewisse Dinge verantwortlich, für die sie sicherlich nur die bester Absicht hatte, aber bei denen sie weder Rücksicht auf Noah noch auf seine Gefühle nimmt. Eine Entschuldigung gibt es von ihrer Seite nicht. Ich ärgere mich irgendwie darüber, dass sie relativ spät im Roman gewisse übergriffige Dinge tut, damit durchkommt und sich Noah gegenüber danach immer noch unnahbar gibt. Ich möchte nicht spoilern, aber Noah offenbart sich Lia total, erzählt ihr Dinge, die er niemandem gesagt hat, und sie nutzt dies in gewisser Art aus, während sie einfach nichts von sich preisgibt. Dass sie sich ihm vielleicht nicht sofort so öffnet, wie er es bei ihr tut, will ich nicht kritisieren, aber was weiß Noah überhaupt über Lia? Sie muss für ihn doch genauso eine Fremde sein, wie sie es für mich ist.

Die Gefühle in Breakaway

Das führt mich auch zu meinem nächsten Punkt. Die Gefühle von Lia und Noah kamen bei mir überhaupt nicht an. Was findet Noah an Lia? Sie sagt ja nichts. Fühlt er sich zu ihr hingezogen, weil sie mysteriös und unnahbar wirkt? Ich würde meinen, dass die zwei zu Beginn des Romans so viel unternehmen, geht ganz klar von Noah aus. Wieso das aber der Fall ist, kann ich nicht erklären. Wenn ich bedenke, dass Noah in Berlin ist, weil er Familienprobleme hat und denen nachgehen möchte, fehlt mir das Verständnis noch mehr. Seine Prioritäten liegen doch eigentlich gerade ganz woanders. Wann und vor allem wieso hat er für sich entschieden, dass Lia der Mensch ist, den er jetzt unbedingt kennenlernen muss? Dass ich die Gefühle bei einem Liebesroman nicht fühle, ist schade.

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New Adult oder Highschool-Drama?

Mit 464 Seiten ist Breakaway für mich ein ziemlich langer New Adult Roman. Und die Lektüre hat sich nach einer noch viel längeren angefühlt, weil sich die Handlung für meinen Geschmack sehr gezogen hat. In gewisser Sicht ist der Beginn schon eine Wohlfühllektüre. Noah und Lia ditschern gemeinsam durch Berlin und erkunden die Umgebung. Aber was passiert sonst? Relativ wenig, während Leser:innen genaueste Einblicke in den gesamten Tagesablauf erhalten. Ich benötige einfach keine Schilderung eines einzigen Tages von mehr als einhundertfünfzig Seiten, auf denen nicht mal groß etwas passiert.

Das letzte Fünftel des Romans – in dem es dann auch wirklich um die Sache geht – erschien mir ziemlich oberflächlich, gestellt und gehetzt. Gleichzeitig hat der Roman mit dem Umgang des Themas auch an Authentizität verloren, weil es sich schlichtweg nicht wie ein New Adult Roman gelesen hat. So wie sich bestimmte Figuren Lia gegenüber verhalten, könnte man denken, dass sie alle die 8. Klasse besuchen und nicht auf eine Universität gehen. In gewissen Dingen hat es mich von der Stimmung und dem Drama beinahe an Tote Mädchen lügen nicht erinnert, was an sich nichts Schlechtes ist, jedoch einfach an der Zielgruppe vorbeigeht.

Ich muss leider auch sagen, dass es mir nicht gefallen hat, wie die ganze Problematik gelöst wurde (es folgen Spoiler). Über vierhundert Seiten begleiten wir Lia und spüren, dass es ihr nicht gut geht. Dann stellt sie sich ihren Ängsten, macht einen Film, erreicht bei einem Wettbewerb (natürlich) den zweiten Platz und auf einmal ist alles Friede-Freude-Eierkuchen? Sie kann bis dato kein einziges Mal über das Erlebte sprechen und auf einmal ist das alles gar kein Problem mehr? Sorry, aber das habe ich Lia überhaupt nicht abgekauft.

Gerade zum Schluss hatte ich zudem das Gefühl, dass viel Überflüssiges in die Handlung eingeschoben wird und vieles einfach nur abgearbeitet werden soll. Was für einen Sinn und Zweck hatte beispielsweise das Gespräch mit Lias alter Kommilitonin? Wird darauf im nächsten Band noch aufgebaut? Ich kann es mir irgendwie nicht wirklich vorstellen und denke insgesamt, dass Breakaway auch mit deutlich weniger Seiten funktioniert hätte. Es gab gerade zum Schluss einfach sehr viel, was zu gewollt auf mich wirkte.

Anabelle Stehl hat ein beeindruckendes Debüt hingelegt, bei dem es für meinen Geschmack aber auch noch Luft nach oben gibt. Ich bin gespannt, mit welchen Geschichten sie uns noch überrascht.

Janika Zeilenwanderer Signatur

Eckdaten: Anabelle Stehl – Breakaway – Lyx – 2020 – 464 Seiten – 12,90 €

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