Ian McEwan ist einer jener Autoren, vor denen ich hohen Respekt habe. Ein Autor, der über kontroverse Themen schreibt, Handlungsstränge einbaut, die schockieren, begeistern und traurig machen. Seitdem ich Abbitte von ihm gelesen habe, bin ich ein Fan. Nun ist vor einiger Zeit ein neuer Roman von McEwan erschienen, der überraschend schnell ins Deutsche übersetzt wurde. Keine Frage: Ich musste das Buch lesen. Vor allem mit einem so spannenden Thema: Androiden! Nun, einige Wochen später, ist Maschinen wie ich beendet und ich habe eine kleine Rezension für euch in petto. Viel Spaß beim Lesen!
Kurzbeschreibung
Maschinen wie ich spielt in einem alternativen London der 1980er Jahre. Der 32-jährige Charlie weicht seiner Vollzeitbeschäftigung aus, verliebt sich in seine Nachbarin, die Studentin Miranda, und kommt unerwartet zu viel Geld. Mit diesem Geld kauft er sich einen Androiden – Adam. Zusammen mit Miranda gestaltet Charlie Adams Persönlichkeit. Adam ist schön, intelligent und stark, was zu Veränderungen in der Beziehung von Miranda und Charlie führt. Schon bald entsteht eine Art Liebesdreieck und mit ihm ein tiefes moralisches Dilemma.
Ich spielte ein Computerspiel, allerdings ein reales Spiel, real wie das gesellschaftliche Leben; die Beweise dafür waren mein trockener Mund und mein Herz, das sich gar nicht mehr beruhigen wollte.
Meinung
Allgemein bin ich ein großer Fan von futuristischen, teils dystopischen Geschichten. Serien wie »Black Mirror« könnte ich nonstop gucken. Im Januar diesen Jahres habe ich bereits einen Sammelband an Kurzgeschichten gelesen, die sich alle mit möglichen Zukunftsszenarien auseinandersetzen, was mir unglaublich gut gefallen hat – vielleicht erinnert ihr euch noch an meine etwas euphorische Rezension zu Stronger, Faster, and More Beautiful. Kurz: Ich mag Geschichten, in denen futuristische und etwas beängstigende Szenen durchgespielt werden. Maschinen wie ich schien für mich das perfekte Buch zu sein. Vor allem weil es aus der Feder von Ian McEwan stammt. Wie hat mir das Buch also gefallen?
Adam, der Androide
Maschinen wie ich setzt mitten im Geschehen ein. Charlie bekommt seinen Androiden namens Adam, lädt ihn auf und beschreibt seine Optik, erzählt wie viele weitere Androiden es gibt und gibt dem Leser allgemeine Hintergrundinformationen. Ich muss ehrlich sagen, dass mich dieser Anfang direkt begeistern konnte. Vor allem weil Adam ganz anders war als ich ihn mir vorgestellt habe. Charlies Adam kann man – so beschreibt ihn Charlie – für einen Türken oder Griechen halten, er hat schwarzes Haar, ein schmales Gesicht und lebensechte Haut. Adam kann eigentlich alles, was ein Mensch auch kann: Denken, den Haushalt machen, Sex haben – nur nass werden sollte er nicht. Ich war direkt gespannt, wie Adam das Leben von Charlie beeinflussen würde.
Von Beginn an empfand ich Adam als überaus interessant. Aber auch sehr gruselig. Kurz nach seinem Erwachen hat er bereits eine äußerst fragwürdige Aussage gemacht, bei der ich echt ins Grübeln kam. Woher hatte er die Informationen, die er in seiner Vermutung preisgab? Wieso sagt er Charlie solche Dinge? Adams Charakter und sein Verhalten sorgten bei mir dafür, dass ich das Buch nicht aus den Händen legen wollte. Ich wollte unbedingt wissen, was weiter passiert und wie sich die Handlung entwickelt.
Handlung
Leider stellte ich bei der Handlung jedoch schnell fest, dass diese recht langsam voranschreitet. Ich wollte mehr über Adam wissen – über sein Verhalten, über seine Art zu sprechen, über alles! Die ersten hundert Seiten haben sich in diesem Punkt jedoch ziemlich gezogen. Stattdessen konzentriert sich Ian McEwan auf die historische und politische Situation in England. Die politische Situation ist angespannt – es ist die Zeit des Falklandkrieges.
Auch im Verlauf der Geschichte ist das politische Geschehen ein großes Thema, was mir ehrlich gesagt nicht allzu gut gefallen hat.
Ich persönlich finde diese Entwicklung etwas misslungen, da mich der Klappentext auf eine andere Geschichte neugierig gemacht hat und mich das politische Geschehen nicht so sehr begeistern konnte wie die Aspekte rund um das gemeinsame Leben mit einem Androiden. Es ließ mich etwas unbefriedigt zurück, dass Adam sehr spannende Fragen und Aussagen in den Raum wirft und man die Antworten – wenn überhaupt – erst sehr viel später bekommt. Ein Beispiel wäre das folgende Zitat:
Dann atmete er tief ein, um anzudeuten, wie sehr er die Abendluft genieße, und sagte dann unvermittelt: »Von einem gewissen Standpunkt aus gesehen besteht die einzige Möglichkeit, dem Leiden ein Ende zu setzen, in der kompletten Auslöschung der Menschheit.«
Aussagen wie diese sind doch bombastisch. Sie triggern den Leser mega und ich finde es so unbefriedigend, dass der Fokus nicht auf diese Themen gelenkt, sondern sich stattdessen auf den Krieg konzentriert wird. Immer wieder bekommen Leser innere Monologe von Charlie geliefert, die während eines Dialogs eingebaut werden und mich als Leser total aus dem Geschehen gerissen haben. Gerade wenn es spannend wurde, kam ein Exkurs in Charlies doch recht gewöhnungsbedürftige innere Welt und seine Meinung zu autonomen Autos, Krieg und Co.
Maschinen wie ich als Sprachrohr des Autors
Hin und wieder hatte ich durch die Exkurse von Charlie das Gefühl, als würde Ian McEwan dadurch selbst nur seine Meinung kundtun wollen. Nach dem Motto: »Hey, ich habe mich über autonome Autos informiert und streng genommen dürft ihr nicht sagen, dass sie autonom fahren.«
Die Zwischensequenzen, in denen Charlie / Ian McEwan vor sich hinphilosophiert wirkten auf mich so, als würde man sein Wissen mit der Welt teilen wollen. Die Geschichte bringen sie jedoch in keiner Weise voran. Sie halten eher auf, stören den Lesefluss und stellen noch dazu eine unglaubliche Informationsflut dar, die der Leser erstmal verdauen muss.
Sprache
Ian McEwan schreibt auch in Maschinen wie ich in seinem üblichen Ton. Reif, kritisch und sachlich. Ich weiß nicht recht, wie ich es beschreiben soll, aber McEwans Charakteren wohnt immer ein etwas Gruseliges inne. Sie haben eine faszinierende Wirkung auf mich, gleichzeitig sind sie mir auch etwas unsympathisch. Ich mag seinen Schreibstil jedenfalls sehr, da er viele Gefühle in mir auslöst.
Was mir hingegen nicht so gut gefallen hat, sind die nicht enden wollenden Kapitel. Ich bin eine Person, die während des Lesens das Buch auch gerne mal zur Seite legt. Sei das nun, um mir etwas zu Trinken zu holen, etwas am Handy nachzugucken oder eine kleine Knuddelattacke mit dem Hund einzulegen. Bei einem Buch wie Maschinen wie ich ist das etwas schwierig, denn die Seiten sind gefüllt von Fließtext und haben kaum Absätze. Die Geschichte umfasst 416 Seiten, insgesamt gibt es zehn Kapitel. Ich hätte mir mehr Kapitel oder zumindest mehr Absätze gewünscht, da dies bei mir für eine angenehmere Lesbarkeit sorgt.
Dafür dass dem Leser eine Geschichte über das Dilemma des Zusammenlebens mit einem Androiden versprochen wird, wurde mir zu viel über das politische Geschehen und ähnliche Zwischensequenzen gesprochen. Das eigentliche Thema fand für mich zu wenig Beachtung. Dennoch hatte ich Freude bei der Lektüre und durchlebte ein kleines Gefühlschaos.
Eckdaten: Ian McEwan – Maschinen wie ich (übersetzt von Bernhard Robben) – Diogenes Verlag – 2019 – 416 Seiten – 25,00 €
– Vielen Dank an den Diogenes Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplares. –
Comments
Daniel
genau diese Ausschweifungen, die kritisiert werden, machen für mich die Lektüre lesenswert. Viele der Aussagen werfen gesellschaftliche Fragen auf, den Umgang mit der Technologie und wie diese uns verändert. Das Buch bewegt sich hier auf mehreren Ebenen: Eine einfache Geschichte (die vielleicht einige Entäuscht, weil man sich mehr erhofft) und […] Read Moregenau diese Ausschweifungen, die kritisiert werden, machen für mich die Lektüre lesenswert. Viele der Aussagen werfen gesellschaftliche Fragen auf, den Umgang mit der Technologie und wie diese uns verändert. Das Buch bewegt sich hier auf mehreren Ebenen: Eine einfache Geschichte (die vielleicht einige Entäuscht, weil man sich mehr erhofft) und einer Metaebene, die genau das richtige auslöst: nachdenken über uns selber. Read Less
Janika
to Daniel
Da sind Geschmäcker einfach unterschiedlich, denke ich. Aber es freut mich, dass dir die Geschichte so sehr zugesagt hat :)
Zeilenwanderer – Rezension: Ian McEwan – Die Kakerlake
[…] Lieben, erst im Mai versorgte uns Ian McEwan mit Maschinen wie ich mit neuem Lesestoff. Rund sechs Monate später gibt es seinen nächsten Meisterstreich, […]
Sarah Ricchizzi
Liebe Janika, ich kann absolut verstehen, dass dich die Ausschweifungen und mangelnden Erklärungen gestört haben. Und wie du so schön schreibst: Gewisse Themen hätte man hingegen noch weiter vertiefen können. Mich störte dies zwar nicht allzu sehr, es freut mich jedoch, dass du deine Kritik so klar auf den Punkt […] Read MoreLiebe Janika, ich kann absolut verstehen, dass dich die Ausschweifungen und mangelnden Erklärungen gestört haben. Und wie du so schön schreibst: Gewisse Themen hätte man hingegen noch weiter vertiefen können. Mich störte dies zwar nicht allzu sehr, es freut mich jedoch, dass du deine Kritik so klar auf den Punkt bringst und sogar Beispiele aufführst, an Stellen, wo der Autor hätte anders agieren können. Alles Liebe, Sarah Read Less
Janika
to Sarah Ricchizzi
Liebe Sarah, danke für dein Verständnis. Und das Gute ist ja auch, dass ein Kritikpunkt nicht das gesamte Buch zerreißt. Ich hatte trotzdem ein fantastisches Leseerlebnis und sehe Ian McEwan weiterhin als einer der größten Schriftsteller unserer Zeit an :) Gleichzeitig freut es mich aber auch sehr, dass dich das […] Read MoreLiebe Sarah, danke für dein Verständnis. Und das Gute ist ja auch, dass ein Kritikpunkt nicht das gesamte Buch zerreißt. Ich hatte trotzdem ein fantastisches Leseerlebnis und sehe Ian McEwan weiterhin als einer der größten Schriftsteller unserer Zeit an :) Gleichzeitig freut es mich aber auch sehr, dass dich das Buch noch mehr begeistern konnte als mich. Ich hoffe, bald dürfen wir wieder etwas von McEwan lesen! Alles Liebe. Janika Read Less
Zeilenwanderer – Sonntagszeilen: Rekordverdächtig
[…] liegen beinahe einen ganzen Monat zurück. Seitdem habe ich schon einiges gelesen: Maschinen wie ich, Bin im Garten und Cinder & Ella – die drei Bücher, die ich zu dem Zeitpunkt gelesen […]
Kate
Hallöchen, ich sehe schon, das Buch hat bei uns beiden wirklich den gleichen Eindruck hinterlassen. Der Klappentext hat eine andere Geschichte versprochen, als dann geliefert wurde und ich finde es nach wie vor schade, weil das Thema so viel hergibt und das Buch so gut hätte sein können. Ich habe noch "Kindeswohl" […] Read MoreHallöchen, ich sehe schon, das Buch hat bei uns beiden wirklich den gleichen Eindruck hinterlassen. Der Klappentext hat eine andere Geschichte versprochen, als dann geliefert wurde und ich finde es nach wie vor schade, weil das Thema so viel hergibt und das Buch so gut hätte sein können. Ich habe noch "Kindeswohl" hier liegen, das werde ich demnächst lesen, und "Abbitte" hole ich mir wohl auch noch, wenn du so begeistert bist. Liebste Grüße, Kate Read Less
Janika
to Kate
Liebe Kate, ja, wir haben wirklich einen ähnlichen Eindruck. Wenn du mich fragst, jedoch auch zu Recht. »Abbitte« ist mein absoluter Favorit des Autors. Das Buch kann ich dir sehr empfehlen. »Kindeswohl« habe ich noch nicht gelesen :) Alles Liebe. Janika
Buchperlenblog
Liebe Janika! Das Buch hatte ich auch schon lang im Blick, bin aber bisher immer drumherum gekreiselt. Mir scheint, ein wenig zu recht! Ich bin sicher, dass es eine gewisse Spannung gibt und mir das Buch sicherlich auch gefallen könnte, aber bei deiner Beschreibung springt der Funke nicht so recht rüber, […] Read MoreLiebe Janika! Das Buch hatte ich auch schon lang im Blick, bin aber bisher immer drumherum gekreiselt. Mir scheint, ein wenig zu recht! Ich bin sicher, dass es eine gewisse Spannung gibt und mir das Buch sicherlich auch gefallen könnte, aber bei deiner Beschreibung springt der Funke nicht so recht rüber, selbst zum Buch zu greifen. Umso mehr danke ich dir, dass du mir diesen Eindruck geben konntest! :) Alles liebe! Gabriela Read Less
Janika
to Buchperlenblog
Liebe Gabriela, ich kann dich gut verstehen. Hätte ich das Buch nicht zeitnah bekommen und erst später manche Rezensionen gelesen, wäre es mir wie dir gegangen. Man erwartet einfach eine andere Geschichte und da die nicht kommt, macht sich etwas Enttäuschung breit. Alles Liebe. Janika