Lauren DeStefano – Fallende Stadt

Hallo ihr Lieben, Fallende Stadt habe ich eine ganze Weile ge­le­sen. Ganze fünf Wo­chen, um genau zu sein. Ich hatte ge­hofft, dass ich den Roman fix durch­be­komme, doch leider wies er die ein oder an­dere Län­ge auf, wes­halb ich mich immer wie­der da­bei er­tapp­te, zu an­de­ren Büchern zu grei­fen. Aber gut, mehr dazu gleich! Viel Spaß mit meiner Buch­be­spre­chung zu Fallende Stadt von Lauren De­Ste­fano.

»Du kannst keine Angst haben,« unterweist sie mich. »Wenn du willst, kannst du traurig sein. Du kannst wütend sein. Aber es ist die Angst, die dich erstarren lässt.«

— S. 274

Kurzbeschreibung

Internment ist eine Stadt, die im Himmel über der Erde schwebt. Dort leben die Menschen in einem stren­gen System. Es gibt Partner­zu­wei­sun­gen, man braucht eine Er­laub­nis und muss be­stimm­te Voraus­setzun­gen er­füllen, um Kin­der zu be­kommen, und selbst der Tod ist klar de­fi­niert. Alles in Intern­ment ist struk­tu­riert, doch dann wird das System auf­ge­wühlt. Es gab einen Mord und dieser Mord ver­än­dert alles. Leser be­glei­ten Morgan, wie sie mit den neuen Gege­ben­hei­ten umgeht.

Meinung

Als ich mit Fallende Stadt begann, hatte ich un­glaub­lich große Lust auf einen dys­to­pi­schen Ro­man. Ich woll­te die Dra­ma­tik und die Frem­de, die man aus ihnen ge­wohnt ist. Dys­to­pien stellen für mich näm­lich immer einen Reiz dar. Auch wenn es meis­tens sehr frag­wür­dige Sys­teme sind – klar, es sind ja Dys­to­pien –, finde ich die Welten immer fas­zinie­rend und stelle mir gerne vor, wie mein ei­ge­nes Leben in so einer an­de­ren Gesell­schaft aus­sehen wür­de. Ich muss sagen, dass ich sehr hohe Er­war­tun­gen an dieses Buch hatte, die zum Teil er­füllt wur­den, zum Teil leider nicht.

lauren destefano fallende stadt

Schreibstil

Lauren DeStefano schreibt schön. Das steht alle­mal fest – be­son­ders was das Er­stellen von Atmos­phäre betrifft. Die Stimmung wird treffend wieder­ge­geben: ganz ruhig und har­mo­nisch, aber mit einem bitte­ren Bei­ge­schmack, der dafür sorgt, dass Leser die ganze Zeit wissen, dass etwas nicht stimmen kann. Irgend­et­was passt in diesem Sys­tem ein­fach nicht zu­sammen. Etwas in Intern­ment ist falsch, ob­wohl alles rich­tig und struk­tu­riert wirkt.

Das Setting und die Hand­lung an sich werden in einem um­gangs­sprach­lichen Ton be­schrie­ben. Lauren De­Stefa­no benutzt Wörter, die jedem ge­läu­fig sind, er­schafft mit ihnen aber so ge­schickt ge­form­te Aus­sagen, dass jeder Satz etwas Er­habe­nes an sich hat. Ich finde die Wort­wahl groß­ar­tig und das Buch all­ge­mein wun­der­bar zu lesen.

»Sollen wir reingehen?«, sagt Basil. »Noch nicht.« Ich blicke wieder zu den Wolken. Dieser Nachmittag war ein einziger langer Augenblick, der nicht enden soll. Ich will Basil noch eine Weile an meiner Seite haben. Ich will, dass diese Wärme in meinen Wangen noch bleibt.

— S. 174

Figuren

Die Charaktere mochte ich in Fallende Stadt eben­falls. Be­son­ders dass es nicht nur eine Pro­ta­gonis­tin gibt, die an­schau­lich vor­ge­stellt wird. Als Le­ser lernt man Mor­gans ge­sam­tes Um­feld kennen: Pen, Lex, Alice, Basil, Thomas, … Sie alle haben eine ei­gene Stimme und sind sym­pa­thisch. Das hat mir wirk­lich ge­fallen, denn in vie­len Ro­ma­nen, die ich in letzter Zeit ge­le­sen habe, lag der Fo­kus ganz klar auf der Pro­tago­nis­tin und höchstens ein bis zwei wei­te­ren Fi­gu­ren. Fallende Stadt bie­tet in diesem Punkt de­fini­tiv mehr Ab­wechs­lung.

Auch gefallen hat mir der Punkt der Fami­lie. Zwar spie­len Morgans Eltern keine so große Rolle wie ihr Bruder Lex oder ihr Ver­lob­ter Basil, doch Mor­gans Ge­dan­ken krei­sen häu­fig um ihre Mutter und ihren Vater. Außer­dem werden immer wieder Dinge aus der Ver­gangen­heit auf­ge­griffen, die die Fi­gu­ren ab­run­den. Hin und wieder hatte ich dennoch Schwie­rig­kei­ten die Be­zieh­ungen ein­zu­stu­fen. Durch Morgans Augen wirkt näm­lich alles etwas ober­fläch­lich und wider­sprüch­lich.

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Morgan als Protagonistin

Mit Morgan hatte ich leider immer wieder meine Pro­bleme. Das liegt haupt­säch­lich daran, dass ihre Ge­dan­ken und Taten nicht mit­einan­der im Ein­klang sind. Sie stellt das System bei­spiels­weise oft in Frage, tut aber ge­fühlt nichts, um es zu än­dern und schwimmt lie­ber wei­ter mit dem Strom. So haben für sie in den kri­ti­schen Zei­ten in Intern­ment völlig ir­rele­van­te Dinge Prio­ri­tät: An­statt sich mit ihrer Freun­din Pen aus­zutau­schen und über die Dinge zu reden, die in Intern­ment passieren, ist sie stets be­strebt, den Zug nach Hause nicht zu ver­passen, um Alice und Lex Essen zu brin­gen. Ich hatte den Ein­druck, dass Morgan das System an sich nicht in Ord­nung findet, gleich­zei­tig aber nach ihm leben möchte und es still­schwei­gend hinnimmt. Da habe ich etwas anderes er­wartet.

Morgan erwähnt häufig, dass Pen diejenige ist, die das System in allen Punkten unter­stützt, ver­ehrt und streng nach ihm lebt. Aller­dings ist sie die­jeni­ge, die Morgan zu re­belli­schen Taten ver­führt und sich deut­lich mehr gegen das System stemmt. Sie bricht immer wieder aus und tut – be­son­ders zum Ende des Romans hin – Dinge, die ich eher einer toughen Pro­tago­nis­tin zu­geord­net hätte. Mit dieser wider­sprüch­li­chen Logik hatte ich häufig Schwie­rig­kei­ten. Vor allem da auch von Neben­figu­ren oft er­wähnt wird, dass Morgan diese und jene Cha­rakter­eigen­schaft auf­weist, was meiner Mei­nung nach über­haupt nicht stimmt. Die ge­nannten Cha­rakter­züge habe ich in Morgan kaum bis gar nicht wieder­gefun­den.

Ich hatte den Eindruck, dass die Autorin Morgan durch diese Technik als Figur stär­ken und als Heldin an­prei­sen möchte. Morgan soll die mutige und wei­se Pro­tago­nis­tin sein, was ihr Um­feld bereits er­kannt hat. Ich habe es leider nicht ge­tan und finde Morgan als Haupt­figur sehr speziell. Eine richtige Bin­dung konnte ich zu ihr nicht aufbauen.

Ich bin immer davon ausgegangen, dass sich die Kinder auf Internment befinden, aber müssen Träume auf denselben Ort begrenzt sein wie der Träumer?

— S. 115

Setting

Das Setting hin­gegen fand ich sehr ge­lun­gen. Intern­ment ist ein außer­gewöhn­li­cher Ort, der auf eine be­son­dere Art ver­lockend ist. Es scheint, als hätte alles in Intern­ment einen fest defi­nier­ten Platz. Man er­kennt immer wieder Dinge, die wir aus unserem All­tag eben­falls kennen, doch sie sind alle leicht ab­geän­dert. So erweckt es den Ein­druck, als würde man Intern­ment selbst kennen, nur um dann wieder von un­gewöhn­li­chen Ab­änderun­gen überrascht zu werden.

Noch nie zuvor ist mit bewusst geworden, wie zusammengedrängt wir doch leben; jede Sektion ist wie das schmale Stück eines Kuchens im Schaufenster der Bäckerei. Ist der Boden unter uns einfach nur die größere Version dessen, was wir hier oben haben?

— S. 83

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Handlung

Soweit klingt das Buch ja eigent­lich nicht schlecht, oder? Im Gro­ßen und Gan­zen habe ich kaum etwas zu be­mängeln, doch es gibt trotz­dem einen Punkt, der meine Lese­lust stark ge­hemmt hat. Und zwar die Hand­lung. Die ersten ein­hundert bis ein­hundert­fünf­zig Seiten fand ich klasse. Man konnte sich ein wunder­bares Bild zu Intern­ment, dem All­tag und den Figu­ren machen. Es war eine fan­tasti­sche Ein­füh­rung in diese Welt. Ich dach­te jedoch, dass es auch wirk­lich das ist: eine Ein­füh­rung. Dass auf die Ein­füh­rung ein Kon­flikt folgt und irgend­etwas passiert. Leider blieb dieser Konf­likt oder Wow-Effekt bis kurz vor Roman­ende aus.

Zum Ende hin wurde es dann sehr spannend und ich habe manche Er­eig­nisse über­haupt nicht kommen sehen. Bei den letzten fünf­zig Seiten konnte ich den Roman echt nicht mehr aus den Hän­den legen, aber die Mitte des Romans … Was war da los? Ich hatte wenig Elan über­haupt weiter­zu­lesen und habe mich mit­unter echt durch die Ka­pi­tel ge­kämpft. Ich be­gann ein Ka­pi­tel, las es und lang­weil­te mich, dann ende­te es mit einem Cliff­hanger. Darauf­hin las ich wieder ein Ka­pi­tel, begann mich aber­mals zu lang­wei­len und wurde er­neut von einem Cliff­hanger be­grüßt. Es ließ sich ein Muster er­kennen, das mir nicht ge­fiel und wirk­lich fesseln konnte mich die Hand­lung dadurch nicht.

Abschließend kann ich sagen, dass ich hohe Er­war­tun­gen an dieses Buch hatte, diese aber nicht ganz er­füllt wurden. Fallende Stadt hört mit einem un­glaub­lich spannen­den Ende auf und ich bin an dem Punkt an­ge­kommen, an dem ich gerne weiter­lesen möch­te. Ande­rer­seits habe ich Angst, dass der zweite Teil genau­so wird wie der erste: Es beginnt spannend und zieht sich dann end­los.

Alles in allem eine solide Dystopie, die viel Potenzial hat. Durch die teilweise langatmige Handlung und mir etwas schleierhafte Protagonistin, bin ich mir jedoch unsicher, ob ich diese Trilogie fortsetzen werde.

Eckdaten: Fallende Stadt von Lauren DeStefano – cbj – 2018 – 416 Seiten – € 9,99 [D]

Summary

Richtig fesseln konnte mich der Roman nach dem ersten Drittel nicht mehr, sodass ich dieses Buch leider nicht getrost weiterempfehlen kann.

— Janika
6 comments
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Comments

  • Stopfi

    Juni 5, 2018 at 21:17
    Reply

    Ja. Ich stimme dir bei allem zu! Direkt nach dem Beenden war ich noch so "ach, es war schon ganz gut!". Aber je mehr Zeit vergeht, desto nichtssagender verblasst die Geschichte in meinem Gedächtnis. Inzwischen bin ich mir fast zu 100% sicher, dass ich die Reihe nicht weiterlesen werde *zuckt […] Read MoreJa. Ich stimme dir bei allem zu! Direkt nach dem Beenden war ich noch so "ach, es war schon ganz gut!". Aber je mehr Zeit vergeht, desto nichtssagender verblasst die Geschichte in meinem Gedächtnis. Inzwischen bin ich mir fast zu 100% sicher, dass ich die Reihe nicht weiterlesen werde *zuckt mit den Schultern* Aber schöne Rezension! LG. Emily Read Less

    • Janika
      to Stopfi

      Juni 6, 2018 at 11:16
      Reply

      Liebe Emily, ja, genauso geht es mir auch. Die Geschichte hat mich nachhaltig nicht berühren können. Wirklich gar nicht und je länger ich darüber nachdenke, desto weniger Punkte möchte ich vergeben :D Liebe Grüße Janika

  • […] konnte endlich Fallende Stadt beenden – die Re­zen­sion zu Lauren DeStefanos Werk findet ihr hier. Die letz­ten Seiten von Fallende Stadt zusammen mit den drei folgen­den Wer­ken lassen mich auf […]

  • […] Ich konnte endlich Fallende Stadt beenden – die Rezension zu Lauren DeStefanos Werk findet ihr hier. Die letzten Seiten von Fallende Stadt zusammen mit den drei folgenden Werken lassen mich auf 406 […]

  • Nicci Trallafitti

    Juni 2, 2018 at 22:49
    Reply

    Ach schade! Dabei klang die Idee echt cool. Mal schauen, ob ich es kaufen & lesen werde. Fürs Erste wohl eher nicht, da habe ich noch genug andere interessante Titel in den Regalen stehen, hihi. Liebe Grüße, Nicci

    • Janika
      to Nicci Trallafitti

      Juni 3, 2018 at 12:04
      Reply

      Liebe Nicci, jaaa, ich weiß! Es ist echt so schade! Ich bin selbst auch immer noch traurig, dass mir Fallende Stadt im Nachhinein nicht mehr gefallen hat :( Liebe Grüße, Janika

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